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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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einmal ansehen. Zu Fuß wanderten sie zurück zur Calle Chanchamayo – die Kinder waren eingeschlafen –, und Domitila richtete ihnen zum Abendessen ein paar Olluquitos mit aufgewärmtem Rindfleisch. Als Lituma sich verabschiedete, war es halb elf. Auf dem Revier war er pünktlich zu Dienstbeginn, um genau 8 Uhr.
    Hauptmann Jaime Concha ließ ihn gar nicht erst Luft holen; er rief ihn zu sich und knallte ihm die Befehle mit einigen spartanischen Sätzen hin, von denen Lituma schwindelig wurde und ihm die Ohren sausten.
    »Die da oben wissen schon, was sie tun.« Aufmunternd klopfte ihm der Hauptmann auf die Schulter. »Und sie haben ihre Gründe, das muß man verstehen. Die da oben irren sich nie, so ist es doch, Lituma.«
    »Selbstverständlich«, stammelte der Wachtmeister. Manzanita und Mocos stellten sich beschäftigt. Aus den Augenwinkeln sah Lituma, wie einer die Durchgangs papiere studierte, als wären es Nacktphotos, der andere ordnete die Papiere auf seinem Schreibtisch, brachte sie wieder durcheinander und ordnete sie erneut. »Darf ich etwas fragen, Herr Hauptmann?« fragte Lituma.
    »Du darfst«, antwortete der Hauptmann. »Ich weiß nur nicht, ob ich dir antworten kann.«
    »Warum haben die da oben mich für diese Aufgabe ausgesucht?«
    »Das kann ich dir sagen«, sagte der Hauptmann. »Aus zwei Gründen. Weil du ihn gefangen hast und es nur gerecht ist, daß der, der den Spaß angefangen hat, ihn auch beendet. Und zweitens, weil du der beste Polizist des Reviers bist, vielleicht von ganz Callao.«
    »Welche Ehre«, murmelte Lituma, ohne sich auch nur im geringsten zu freuen. »Die da oben wissen sehr genau, daß es sich um eine sehr schwere Aufgabe handelt, und darum vertrauen sie sie dir an«, sagte der Hauptmann. »Du solltest stolz darauf sein, daß man dich unter Hunderten von Polizisten in Lima ausgesucht hat.“
    »Oh, das heißt, ich soll mich auch noch bedanken.« Lituma schüttelte verblüfft den Kopf. Er dachte einen Augenblick nach und fügte sehr leise hinzu: »Muß es sofort sein?« »Sofort«, sagte der Hauptmann und versuchte jovial zu sein. »Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.«
    Jetzt weißt du, warum dir das Gesicht des Negers nicht aus dem Kopf wollte, dachte Lituma.
    »Willst du einen von denen als Unterstützung mitnehmen?« hörte er die Stimme des Hauptmanns.
    Lituma spürte, wie Camacho und Arévalo versteinerten. Ein eisiges Schweigen verbreitete sich in der Revierwache, während der Wachtmeister die beiden Polizisten beobachtete und sich absichtlich Zeit ließ, um die beiden auf die Folter zu spannen. Manzanita schwankte der Stapel Papier in den Händen, und Mocos hatte das Gesicht in die Sachen auf seinem Schreibtisch vergraben.
    »Den da«, sagte Lituma und zeigte auf Arévalo. Er hörte, wie Camacho tief aufatmete, sah in den Augen von Manzanita allen Haß der Welt gegen sich auflodern und wußte, daß er ihn verfluchte.
    »Ich habe die Grippe und wollte Sie gerade bitten, mich von einem Ausgang heute Nacht zu befreien, Herr Hauptmann«, stotterte Arévalo und machte ein blödes Gesicht. »Laß das verweichlichte Getue und schnapp dir deinen Regenmantel«, kam ihm Lituma zuvor und ging an ihm vorbei, ohne ihn anzusehen. »Wir gehen sofort.«
    Er ging zur Zelle und öffnete sie. Zum ersten Mal an diesem Tag sah er den Neger an. Man hatte ihm eine lumpige Hose angezogen, die ihm kaum bis zu den Knien reichte, seine Brust und seinen Rücken bedeckte ein Sack, in den man ein Loch für den Kopf gerissen hatte. Er sah Lituma ganz ruhig in die Augen, ohne Furcht und ohne Freude. Er saß auf dem Boden und kaute etwas. Statt Handschellen trug er eine Schnur um die Handgelenke, die lang genug war, daß er essen und sich kratzen konnte.
    Der Wachtmeister machte ihm ein Zeichen, er solle aufstehen, aber der Neger schien ihn nicht zu verstehen. Lituma trat auf ihn zu, nahm ihn am Arm, und der Mann stand willig auf. Mit derselben Gleichgültigkeit, mit der er ihn empfangen hatte, ging er vor ihm her. Manzanita hatte sich schon den Regenmantel angezogen und den Schal um den Hals gelegt. Hauptmann Concha drehte sich nicht um, als sie hinausgingen. Er hatte das Gesicht hinter einem Donald-Duck-Heft versteckt. (Er merkt nicht, daß er es falsch herum hält, dachte Lituma.) Camacho dagegen bedachte sie mit einem Beileidslächeln. Auf der Straße ging der Wachtmeister auf der Fahrbahnseite und ließ Arévalo innen gehen. Der Neger ging kauend, mit langen, an allem

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