Tante Lisbeth (German Edition)
schau! Da ist ja auch unser Tantchen Lisbeth, die kluge Jungfrau! Es geht euch also allen vorzüglich!«
Nachdem er so jedem lachend ein paar Worte gespendet hatte, sah er sich im Salon um. Offenbar gefiel er ihm nicht.
»Liebe Cölestine«, meinte er, »ich gebe dir meine Möbel aus der Rue des Saussayes. Die werden sich hier famos machen. Dein Salon ist ein bißchen erneuerungsbedürftig. Ah, da ist ja auch unser Stanislaus, der kleine Stöpsel! Bist du denn auch immer hübsch artig und brav gewesen, mein Junge?«
»Das kommt ganz auf deine eigene Moral an!« bemerkte Tante Lisbeth bissig.
»Meine liebe Lisbeth, liebe Kinder«, entgegnete Crevel, »solche Sticheleien sind bei mir nun nicht mehr angebracht! Ich bringe die etwas schiefen Verhältnisse, in denen ich notgedrungen so lange leben mußte, ins reine. Ich bin gekommen, euch hiermit pflichtschuldigst meine Wiederverheiratung anzuzeigen!« »Du kannst selbstverständlich tun und lassen, was du willst«, erklärte Viktor, »und ich für meine Person gebe dir sogar hiermit dein Wort zurück, das du mir dereinst gegeben hast, als ich um meine liebe Cölestine anhielt...«
»Was für ein Wort?«
»Dein Wort, nicht wieder zu heiraten! Du wirst dich gerechterweise auch erinnern, daß du mir es aus freien Stücken gegeben hast. Ich hatte es nicht verlangt und habe dich sogar darauf aufmerksam gemacht, daß du dich nicht derartig binden solltest!«
»Hm, lieber Freund, ich erinnere mich«, gab Crevel verlegen zu, »aber ich sage euch, meine lieben Kinder, wenn ihr euch mit Frau Crevel vertragt, sollt ihr das nicht zu bereuen haben! Viktor, dein Entgegenkommen ist rührend. Ich werde mich zu revanchieren wissen! Der Teufel soll mich holen, ich sage euch, stellt euch mit eurer Stiefmutter gut und kommt alle miteinander zu meiner Hochzeit!«
»Lieber Vater, wer ist denn eigentlich deine Braut? Das hast du uns noch gar nicht gesagt!«
»Aber Kinder, das pfeifen ja die Spatzen von den Dächern!« versetzte Crevel. »Wir wollen uns doch einander nichts vormachen! Tante Lisbeth hat euch das längst hinterbracht...«
»Verehrter Crevel«, entgegnete die Lothringerin, »es gibt Namen, die in diesem Hause nicht ausgesprochen werden!«
»Na, dann spreche ich ihn aus: Frau Marrieffe!«
»Lieber Schwiegervater«, sagte der Anwalt würdevoll, »weder meine Frau noch ich werden deiner Hochzeit beiwohnen, und zwar keineswegs aus egoistischen Gründen. Ich war eben durchaus aufrichtig zu dir, und ich würde mich wirklich freuen, wenn du in dieser Verbindung dein Glück fändest. Mich bestimmen hier vielmehr Rücksichten, die ich meinem Ehrgefühl und gewissen Ereignissen schulde... Du wirst mich verstehen. Ich kann mich nicht näher darüber auslassen, um nicht Wunden wieder aufzureißen, die noch nicht geheilt sind ...«
Hortense verließ mit ihrem Kleinen das Zimmer, und Adeline empfahl sich stumm. Als sich Viktor mit seinem Schwiegervater, seiner Frau und Tante Lisbeth allein sah, fuhr er fort:
»Du heiratest eine Frau, die sich durch den Ruin meines Vaters unrechtmäßig bereichert hat; eine Frau, die ihn ohne Bedenken dahin gebracht hat, wo er sich jetzt befindet; eine Frau, die ein Verhältnis mit dem Schwiegersohn des Mannes unterhält, den sie zugrunde gerichtet hat; eine Frau, die meiner Schwester das schlimmste Leid angetan hat! Und du bildest dir ein, die Gesellschaft sollte es erleben, daß wir eine solche Torheit billigen, indem wir zu deiner Hochzeit erscheinen! Du tust mir aufrichtig leid, lieber Crevel. Dir mangelt jeglicher Familiensinn! Für die gegenseitigen Verpflichtungen der einzelnen Mitglieder einer Familie hast du kein Verständnis! Und was richten Vernunftgründe gegen eine Leidenschaft aus? Leidenschaftliche Naturen sind ebenso blind wie taub. Cölestine ist dir eine zu pflichttreue Tochter, als daß sie auch nur ein Wort des Tadels gegen dich fände...«
»Das wäre auch noch schöner!« brummte Crevel, der keine Lust verspürte, der Predigt länger zuzuhören. Der Anwalt fuhr indessen fort:
»Aber ich darf versuchen, dich vom Rande eines tiefen Abgrundes abzuhalten, zumal ich dir den Beweis meiner Uneigennützigkeit erbracht habe. Es ist wahrlich nicht dein Vermögen, das mir Gedanken macht, sondern einzig und allein deine Person. Ich kann gottlob sagen, meine pekuniäre Lage läßt nichts zu wünschen übrig...«
»Dank deinem Schwiegervater!« unterbrach Crevel ihn. Er hatte einen blauroten Kopf vor Ärger bekommen.
»Wenn es dir leid
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