Tante Lisbeth (German Edition)
Stanislaus wird in Begleitung des Händlers mitkommen. Der Schöpfer eines solchen Werkes muß sein Glück machen! Verschaffe ihm durch deinen Einfluß den Auftrag zu einem Denkmal und dann eine Wohnung in der Akademie!«
»Was du nicht alles willst!« scherzte der Baron. »Wenn du so machen könntest, was du wolltest, wärt ihr nach den gesetzlich vorgeschriebenen elf Tagen miteinander verheiratet.«
»Elf Tage muß man warten?« Hortense lachte. »Wo ich ihn nach fünf Minuten geliebt habe, so wie du Mutter geliebt hast, als du sie zum ersten Male sahst! Und er liebt mich, als ob wir uns schon zwei Jahre lang kennten. Jawohl!« setzte sie mit einer Gebärde der Beteuerung hinzu. »Seine Augen sagen mir mehr als zehn Bände. Er wird euch schon recht sein, dir und Mutter, wenn er bewiesen haben wird, daß er ein Genie ist! Die Plastik ist die höchste von allen Künsten!« Sie klatschte vor Freude in die Hände. »Halt!« sagte sie auf einmal. »Was ich noch sagen wollte ...«
»Du hast also noch etwas auf dem Herzen?« fragte der Baron lächelnd. Ihre unschuldsvolle Beichte beruhigte ihn.
»Ein letztes wichtiges Geständnis!« sagte sie. »Ich liebte ihn, ehe ich ihn persönlich kannte, aber seit einer Stunde, da ich ihn nun kenne, bin ich vernarrt in ihn!«
»Und nicht zu knapp!« meinte der Baron, den die naive Liebesgeschichte belustigte.
»Tadle meine Vertrauensseligkeit nicht!« bat sie. »Gibt es etwas Herrlicheres als einem Vaterherzen zu gestehen: ›Ich liebe! Ich bin in meiner Liebe glücklich!‹ Du wirst meinen Stanislaus sehen. Seinen melancholischen Kopf! Seine grauen Augen mit dem Sonnenschein des Genies! Und wie vornehm er aussieht! Weißt du auch, woher er stammt? Ist Livland ein schönes Land? – Tante Lisbeth wollte den jungen Mann heiraten! Sie könnte seine Mutter sein. Das wäre ein Verbrechen! Ich bin riesig eifersüchtig auf sie, weil sie für ihn etwas hat tun können. Ich bilde mir ein, sie wird meine Heirat scheel ansehen.«
»Wir wollen Mutter nur nichts verheimlichen, mein Engel.«
»Ich müßte ihr dieses Petschaft zeigen; aber ich habe versprochen, Tante Lisbeth nicht zu verraten. Sie hat Angst vor Mutters Spott.«
»Du hast Bedenken hinsichtlich eines Petschafts, aber du stiehlst der Tante Lisbeth den Geliebten!«
»Hinsichtlich des Petschafts habe ich etwas versprochen; hinsichtlich des Künstlers habe ich nichts versprochen!«
Diese altmodische Romantik paßte ausgezeichnet in die geheime Geschichte dieser Familie. Deshalb fügte der Baron dem Lobe ihrer Klugheit hinzu, sie solle sich wenigstens weiterhin auf die Umsicht ihrer Eltern verlassen.
»Du verstehst, mein liebes Kind«, sagte er, »es kommt dir nicht zu, dich zu erkundigen, ob dein Auserwählter wirklich Graf ist, ob seine Papiere in Ordnung sind und ob sein Vorleben Sicherheit bietet. Was nun Tante Lisbeth betrifft: sie hat die Gelegenheit zu heiraten fünfmal ausgeschlagen, als sie zwanzig Jahre jünger war. Die wäre also kein Hindernis. Das nehme ich auf mich.«
»Höre, Vater. Wenn du mich verheiratet sehen willst, so sprich, bitte, nicht eher mit Tante Lisbeth von unserm Freunde als in dem Augenblick, wo mein Ehevertrag unterzeichnet wird. Seit einem halben Jahr bestürmte ich sie mit Fragen. Ach, es steckt etwas Rätselhaftes in ihr ...«
»Wieso?« fragte der Baron betroffen.
»Schon ihr Blick war falsch, wenn ich zuviel von ihrer Liebesgeschichte wissen wollte.« Hortense lachte. »Ziehe deine Erkundigungen ein, gut! Aber mein Schiffchen laß mich selber steuern! Mein Gottvertrauen muß auch euch beruhigen.«
»Christus hat gesagt: ›Lasset die Kindlein zu mir kommen!‹ Du bist eins der Kinder, die da kommen ...«, meinte der Baron nicht ohne leisen Spott.
Nach dem Frühstück meldete man den Kunsthändler, den Künstler und sein Werk. Die Baronin beobachtete, wie ihre Tochter plötzlich rot wurde. Das machte sie unruhig und neugierig. Hortenses Aufgeregtheit, ihre flammenden Augen verrieten ihr das ganze Geheimnis ihres jungen, so wenig verschlossenen Herzens.
Graf Steinbock machte in seinem schwarzen Rock den Eindruck eines vornehmen jungen Mannes.
»Könnten Sie den Auftrag für eine Statue in Bronze übernehmen?« fragte ihn der Baron, indem er die Gruppe in die Hände nahm.
Nachdem er sie verständnisvoll betrachtet hatte, reichte er sie seiner Frau. Sie verstand nichts von Plastik.
»Nicht wahr, Mutter, das ist schön?« flüsterte Hortense der Mutter leise zu.
Der Künstler
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