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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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beantwortete die Frage des Barons:
    »Ach, Herr Baron, eine Statue ist kein so schweres Werk wie beispielsweise die Standuhr, die der Herr da gütigst mitgebracht hat.«
    Der Händler packte das Wachsmodell aus: »Amoretten versuchen die zwölfte Stunde aufzuhalten« und stellte es auf das Büfett im Eßzimmer.
    »Lassen Sie mir die Uhr da!« erklärte der Baron, von der Schönheit des Werkes entzückt. »Ich will sie den Ministern des Innern und des Handels vorführen.«
    »Wer ist der junge Mann, der dich so außerordentlich interessiert?« fragte die Baronin ihre Tochter.
    Der Kunsthändler, der das Einverständnis zwischen der jungen Dame und dem Bildhauer erkannt hatte, nahm eine geheimnisvolle Kennermiene an und erwiderte: »Ein Künstler, der die pekuniären Mittel dazu hätte, könnte hiermit einhunderttausend Francs verdienen. Man braucht nur zwanzig Exemplare jedes zum Preise von achttausend Francs zu verkaufen. Jedes Stück würde etwa dreitausend Francs Herstellungskosten verursachen. Wenn man die Exemplare numerierte und die Form zerstörte, fänden sich schon die zwanzig Liebhaber, die ihre Freude daran hätten, zur kleinen Schar der Besitzer dieses Werkes zu gehören.«
    »Hunderttausend Francs!« rief Steinbock aus, indem er erst den Händler, dann den Baron und schließlich Hortense anschaute.
    »Jawohl, hunderttausend Francs!« wiederholte der Händler. »Und wenn ich reich genug wäre, kaufte ich Ihnen die Uhr für zwanzigtausend ab. Wenn ich Modell und Form zerstörte, wäre sie nur ein einziges Mal vorhanden, und irgendein Fürst kaufte sie mir für dreißig- bis vierzigtausend Francs wieder ab, um seinen Salon damit zu schmücken. In der ganzen Kunstgeschichte gibt es kein Werk, das zugleich den Kenner und den Laien befriedigt. Dies hier erfüllt diese schwierige Forderung ...«
    Hortense händigte dem Kunsthändler sechs Goldstücke ein.
    »Das ist für Sie, mein Herr!« sagte sie.
    Er empfahl sich.
    »Sprechen Sie zu niemandem auf der Welt von unserem Besuche hier!« ersuchte Steinbock schnell noch den Händler, der bereits auf der Schwelle der Tür stand. »Wenn man Sie fragen sollte, wo die Gruppe wäre, nennen Sie den Herzog von Hérouville, den bekannten Kunstsammler, der in der Rue de Varenne wohnt.«
    Der Händler nickte zum Zeichen des Einverständnisses mit dem Kopfe.
    »Darf ich um Ihren Namen bitten?« fragte der Baron den Künstler.
    »Graf Steinbock.«
    »Haben Sie Papiere, die Sie ausweisen?«
    »Gewiß, Herr Baron, in russischer wie in deutscher Sprache, aber noch ohne die hiesige Beglaubigung ...«
    »Würden Sie sich die Schöpfung eines neun Fuß hohen Standbildes zutrauen?«
    »Gewiß, Herr Baron.«
    »Gut! Wenn die Herren, deren Urteil ich einholen muß, mit Ihren Werken zufrieden sind, kann ich Ihnen einen Auftrag verschaffen, die Statue des Marschalls Montcornet. Sie soll in Père- Lachaise auf sein Grab kommen. Das Kriegsministerium und die ehemaligen Offiziere der Kaiserlichen Garde haben eine ganz anständige Summe ausgesetzt und uns die Wahl des Künstlers überlassen.«
    »Herr Baron, das wäre mein Glück!« rief der Bildhauer aus, ganz bestürzt von soviel Erfolg auf einmal.
    »Seien Sie unbesorgt!« sagte der Baron höflich. »Wenn die beiden Minister, denen ich Ihre Bronzegruppe und das Wachsmodell da zeigen werde, Ihre Werke bewundern, dann ist Ihr Glück gemacht. Bringen Sie mir aber Ihre Papiere und teilen Sie Ihre Aussichten niemandem mit, auch unserer alten Tante Lisbeth nicht ...«
    »Tante Lisbeth!« rief die Baronin ahnungsvoll aus.
    Der Künstler meinte:
    »Ich werde Ihnen eine Probe meines Könnens geben; ich werde eine Büste der gnädigen Frau machen.«
    Betroffen von der Schönheit der Baronin, hatte er bereits Vergleiche zwischen Mutter und Tochter angestellt.
    »Wir sind also einig, Graf«, sagte der Baron. »Es wird sich schon alles zum Besten für Sie fügen.« Er war durch das feine, vornehme Wesen des Künstlers schon ganz für ihn eingenommen. »Sie sollen bald erfahren, daß in Paris kein Mensch lange ungestraft Talente hat und daß hier jegliche ernste Arbeit ihren Lohn findet.«
    Errötend gab Hortense dem jungen Mann eine schöne algerische Börse mit sechzig Goldstücken. Der Künstler wurde gleichfalls rot. Der Edelmann regte sich in ihm.
    »Sollte das zufällig das erste Honorar sein, das Sie für Ihre Arbeiten bekommen?« fragte die Baronin gütig.
    »Gnädige Frau, für künstlerische Werke von mir allerdings. Für Arbeit im

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