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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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antworteten verschämt-kokett.
    »Welch hübsche Frau«, sprach der Baron wie vor sich hin, »wie geschaffen, um Torheiten zu begehen!«
    »Ach, mein Herr«, antwortete sie, indem sie sich mit einer Bewegung, als fasse sie einen plötzlichen Entschluß, ihm zuwandte, »Sie sind der Herr Baron Hulot, nicht wahr?«
    Erstaunt bejahte er es.
    »Da der Zufall unsere Blicke einander zum zweiten Male begegnen läßt und da es scheint, daß ich das Glück habe, Sie zu interessieren oder neugierig gemacht zu haben, so will ich Ihnen sagen: machen Sie keine Torheiten, sondern üben Sie lieber Gerechtigkeit! Meines Mannes Geschick liegt in Ihrer Hand.«
    »Wie meinen Sie das, Gnädigste?« fragte der Baron galant.
    »Mein Mann arbeitet unter Ihrer Oberleitung im Kriegsministerium in der Abteilung des Herrn Lebrun, unter Herrn Coquet«, erwiderte sie, ihn anlächelnd.
    »Ich wäre wohl geneigt, Frau ... Frau ...?«
    »Frau Marneffe!«
    »Meine liebe Frau Marneffe – geneigt, wollte ich sagen, eine Ungerechtigkeit um Ihrer schönen Augen willen zu begehen. Eine Kusine von mir wohnt in Ihrem Hause; ich werde sie dieser Tage, so bald wie möglich, besuchen. Legen Sie mir Ihr Gesuch dort vor!«
    »Verzeihen Sie meine Kühnheit, Herr Baron! Aber Sie werden verstehen, warum ich es wagte, so zu reden. Wir haben nämlich gar keine Protektion.«
    »Soso!«
    »Herr Baron, Sie mißverstehen mich!« sagte sie und schlug die Augen nieder.
    Dem Baron kam es vor, als ginge damit die Sonne unter.
    »Ich bin in Verzweiflung, aber ich bin eine anständige Frau«, fuhr sie fort. »Vor einem halben Jahre habe ich meinen einzigen Beschützer verloren, den Marschall Montcornet.«
    »Sind Sie nicht seine Tochter?«
    »Jawohl, Herr Baron, aber er hat mich nie als solche anerkannt.«
    »Aber er hat Ihnen doch einen Teil seines Vermögens hinterlassen?«
    »Er hat mir nichts hinterlassen, Herr Baron, weil sich kein Testament vorgefunden hat.«
    »Armes Kind! Ja, ja, der Marschall ist an einem Schlaganfall gestorben. Verzagen Sie nur nicht! Mut! Man wird nicht vergessen, was man der Tochter eines Bayard des Kaiserreichs schuldet!«
    Frau Marneffe grüßte graziös. Sie war ebenso stolz auf ihren Erfolg wie der Baron auf den seinen.
    Zum Teufel, wo mag sie zu so früher Stunde herkommen? fragte er sich, indem er den Wellenbewegungen ihres Kleides nachblickte, das sie mit einer etwas übertriebenen Koketterie trug. Um vom Baden zu kommen, sieht sie zu ermüdet aus. Ihr Mann erwartet sie. Das ist rätselhaft und gibt zu denken.
    Nachdem Frau Marneffe in ihrem Hause verschwunden war, entschloß sich der Baron, nachzusehen, was seine Tochter drinnen im Laden mache. Er trat ein, und da er noch immer nach Frau Marneffes Fenster hinblickte, hätte er beinahe einen jungen Menschen mit blassem Gesicht und leuchtenden grauen Augen umgerannt, der einen schwarzwollenen Sommerüberzieher, ein grobes Leinwandbeinkleid und gelblederne Halbschuhe trug. Er stürzte wie ein Hühnerhund aus der Tür und lief auf Frau Marneffes Haus zu, in dem er auch verschwand.
    Als Hortense den Laden betrat, hatte sie sofort die bewußte Gruppe erkannt, die in der Nähe der Tür auf einem Tische zur Schau gestellt wurde. Selbst ohne Kenntnis ihrer Entstehungsgeschichte hätte die Gruppe wahrscheinlich das junge Mädchen durch das ergriffen, was man das Brio, das heilige Feuer des Meisterwerks, nennt. Nicht alle Werke selbst genialer Künstler haben in gleichem Maße jenen gewissen Glanz, das Weithinstrahlende, das selbst dem ungeübten Auge auffällt. So erregen einige Bilder Raffaels, zum Beispiel die berühmte Verklärung Christi in der Vatikanischen Galerie, die Madonna di Foligno ebenda oder die Fresken in den Stanzen nicht die augenblickliche Bewunderung wie der Violinspieler aus der Galerie Sciarra, die Porträts des Angelo und der Maddalena Doni in Florenz, die Vision Ezechiels im Palazzo Pitti, die Grablegung Christi der Galerie Borghese und die Vermählung Mariä in der Brera. Der Johannes der Täufer in der Tribuna und der heilige Lukas, die Madonna malend, in der Accademia di San Luca zu Rom üben nicht denselben Zauber aus wie das Porträt Leos des Zehnten und die Sixtinische Madonna. Trotzdem sind das alles gleich hohe Werke. Ja, mehr noch: die Stanzen, die Verklärung Christi, die Loggien und die Tafelbilder des Vatikans stellen das Höchste dar in Erhabenheit und Vollendung. Aber diese Meisterwerke verlangen selbst von geschulten Bewunderern eine Art Anspannung, ein

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