Tanz auf dem Regenbogen
Geräusch, das ich hörte, war sehr wahrscheinlich ein Telefonhörer, der in Nassau aufgelegt wurde. Mit Sicherheit aber, war die Leitung genauso tot wie die Demerol-induzierten Träume eines geschiedenen Zahnarztes. Das war typisch Stephanie. Sie war sehr jung und hatte noch viel zu lernen. Ich war sehr in den besten Jahren und hatte noch viel zu lernen. Zum Beispiel, wie man ein kindersicheres Feuerzeug bedient.
»Ganze Arbeit«, sagte ich zu der Katze, »du hast gerade eine der wichtigsten Beziehungen in meinem Leben torpediert.«
Die Katze kletterte auf den Schreibtisch, setzte sich genau in die Mitte zwischen die beiden roten Telefone und sah mich an.
Normalerweise glaube ich nicht an den ganzen anthromorphischen Scheiß von Vögeln, die weinen, Hunden, die lachen oder Menschen, die verzeihen, aber ich hätte schwören können, daß die Katze grinste.
3
In dieser Welt ist jeder allein, aber das realisieren nur die wenigsten und noch weniger wissen diese Situation zu schätzen. Alleinsein bedeutet, die Möglichkeit zu haben, zu denken, zu träumen und man selbst zu sein. Das bekommt man nirgendwo anders. Möchte man wirklich Teil einer großen katholischen Familie sein, die in einem Land der Dritten Welt verhungert? Oder anläßlich eines überfüllten, todöden Rotariertreffens dinieren? Die Welt mit einer schwerfälligen ethnozentrischen Gruppe deutscher und japanischer Touristen bereisen? Seinen Seelenklempner voll heulen, wie gerne man sich umbrächte, hätte man nur genug Arsch in der Hose?
Während dies natürlich alles überaus attraktive Szenarien sind, warum sollte man nicht die kurzen Momente genießen, die man mit sich selbst allein hat. Sie sind ohnehin nicht von Dauer. Früher oder später kommt schon ein Terrorist vorbei und überreicht einem einen abgetrennten Finger in einem Mayonnaiseglas, oder einem ist ein Fremder, dem gerade die Hobbys ausgegangen sind, auf der eigenen Toilette abgekratzt.
Wenn die Leute erstmal wissen, daß man allein ist, finden sie auch noch Mittel und Wege, einem das zu versauen. So ähnlich wie, wenn sie wissen, daß man bald geht, benehmen sie sich, als wäre man schon weg. Sie sind für einen da, solange man nichts von ihnen will, und wenn man sie wirklich braucht, machen sie sich rar. Darauf kann man sich verlassen. Und man sollte nicht glauben, daß sie im Laufe der Zeit irgendwie vernünftiger oder cooler geworden wären. Die Stierkämpfer und Schmetterlingssammler sind immer noch unter uns, stets beschäftigt, den Stier Ferdinand zu quälen und zu schlachten und die winzigen zerfledderten Flügelchen einer Million kleiner Jesuskindlein in der Zeit, die man braucht, um einen heißen bitteren Espresso zu schlürfen, auf Kartonseiten festzustecken.
Das ist auch so ziemlich alles, was ich an diesem kalten Morgen Ende Januar tat: eine Tasse Espresso schlürfen. Mein ganzes Leben war auf das Schlürfen von Espresso, das Paffen der heiligen Überreste einer alten kubanischen Zigarre und das Lauschen des gedämpften Stampfens kleiner lesbischer Füße in dem Tanzstudio über mir reduziert. Die Dinge standen gar nicht so schlecht, dachte ich, Probleme bekam man erst dann, wenn man anfing zu glauben, die Lesben würden einem Botschaften übermitteln wollen.
Die Espressomaschine brummte, die Stadt außerhalb des Lofts brummte, mein Kopf brummte auch, aber es war ein süßes, trauriges, altes Lied aus längst vergangenen Tagen. Ich hatte keine Ahnung, welches Lied die Stadt brummte, aber die Espressomaschine schien sich an eine reichlich wehmütige Version von »Hi Lili Hi Lo« heranzutasten. Die Katze war unter ihrer Wärmelampe auf dem Schreibtisch eingeschlafen. Wenn ich zurückdachte, konnte ich mich an Zeiten großer Aufregung erinnern. Zeiten, in denen eine Menge Dinge gelaufen waren, sowohl privat als auch professionell. Aber jetzt, an diesem erbarmungslos grauen Morgen des ersten Monats des neuen Jahres, in einer Stadt, die mit jeder Minute älter wurde, passierte absolut nichts in meinem Leben. Ich war kurz davor, an Astrologie zu glauben.
Ich hatte gerade meinen alten Borneo Sarong und den lilafarbenen Robert Louis Stevenson Bademantel gegen eine Jeans und ein altersschwaches »Butt Holdsworth Memorial Library«-Sweatshirt getauscht, den Müll, der meine Post war, gesichtet und dachte über einen Nonstoptrip aufs Scheißhaus nach, als die beiden roten Telefone auf dem Schreibtisch ihr Synchronklingeln aufnahmen. So klingelten sie natürlich
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