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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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prangte eine Dekoration in Gestalt einer Ehrenpforte. Bettler und Dirnen waren vom Einzugsweg verbannt worden, trieben sich aber trotzdem überall herum, wo es ihnen gefiel. Es war Sonne in den Gassen, aber die Luft blieb eisig. Vor der Kathedrale holten die Kapitelherren sich beim Warten auf die hohen Herrschaften kalte Füße. Die Repräsentanten der Bürgerschaft, kenntlich an ihren pelzverbrämten Mänteln und den Amtsketten oder Zunftwappen, versammelten sich am Rathaus und trugen ihre Würde zur Schau. Das einfache Volk tat, was es bei solchen Gelegenheiten immer tut, es drängte sich ins Wirtshaus und machte sich die Kehle nass.
    Ich überließ meine Bettlerfreunde ihrem Metier, bei dem ich nur stören konnte, wie sie mir zu verstehen gaben.
    Knaller hatte sich angewöhnt zu nörgeln: »Du lernst das nie!«
    Ich kaufte mir etwas zu essen, ließ mich im Gewühl der Menge treiben und bemühte mich, die wirren Gedanken zu verscheuchen.Durch Grübeln würde ich mein Problem nicht lösen, davon war ich überzeugt. Jetzt hieß es Geduld beweisen!
    Nur eines bedrängte mich immer mehr: Wo waren Ahasver, Pietro und Sambo? Wieso hatten sie mich so völlig ohne Nachricht gelassen? Hielten sie sich noch in Köln auf? Saßen sie vielleicht im Kerker? Waren sie überhaupt noch am Leben?
    Und dann natürlich: mein Vater! Dieses Phantom, das mir vermutlich ständig nahe war und sich doch beharrlich vor mir zurückzog.
    Im Grunde könnte es jeder sein, dachte ich. Jeder Einzelne, den ich sehe. Na gut: Jeder Einzelne, sagen wir mal, über dreißig oder zweiunddreißig. Der Fettsack da drüben, der vermutlich keine Lust hatte, für irgendjemanden aufzukommen, beispielsweise eine Tochter, die ihm egal sein konnte. Der Kaufmann dort mit seiner Frau, der bestimmt keinen Wert darauf legte, dass sie jemals erfuhr, dass er vor einer Reihe von Jahren, als ihm noch danach war und sie alljährlich das Wochenbett hütete, ganz munter in der Gegend herumgevögelt hatte. Nein, halt, so durfte ich nicht denken. Immerhin ging es um meine Mutter, und die war – so wenig ich auch über sie wusste – keine Frau gewesen, die sich mit einem beliebigen Kerl einließ. Im Gegenteil. Sie stammte, so hatte ich es verstanden, aus einer Patrizierfamilie in Gent. Aus Gründen, die ich nicht kannte, war jede Verbindung dorthin abgerissen. Sie hatte wenig darüber gesprochen. Als Mädchen dürfte sie scharf beaufsichtigt worden sein, und auch später war sie wohl kaum ein leichtfertiges Frauenzimmer gewesen. Immerhin wusste ich jedoch, dass sie bei Hof Zutritt gehabt hatte. Wie sonst hätte der spätere Kaiser ihr das Glas schenken können, an dem sie so hing? Was konnte ihr da begegnet sein? Wer war ihr da begegnet? Aber weiß man, was die Menschen treibt? Spinn nicht wieder herum, Kat! Du weißt in Wahrheit nichts darüber. Und was hatte sie später erlebt? Weshalb diese eindringlichen Warnungen vor den Männern und der Liebe? Was wird aus Menschen, wenn sie den Kopf verlieren oder auf Trug und Süßholzraspelei hereinfallen? Außerdem: War es nicht möglich, dass der Mann, der meiner Mutter in jungen Jahren den Kopf verdreht hatte,mein Vater also, heute ganz anders war als damals? Also doch der Feuerschlucker da an der Ecke? Verzeih mir, Mama! Wie kann ich solches Zeug denken! Ich höre ja schon auf damit!
     
    Keine Lust, mich weiter in dieser Kälte herumzutreiben. Oder ewig im Gedränge zu warten, nur um einen Blick auf ein paar blasierte Gesichter zu erhaschen. Oder vor dem Haus herumzustehen, in dem die hohen Herrschaften absteigen würden. Übrigens hörte man überall, der Kaiser komme gar nicht nach Köln zurück. Der sei in Aachen geblieben. Und in eines der Wirtshäuser gehen und mich dort mit den Betrunkenen herumärgern? Keine Lust und nicht genug Geld. Denn das, was mir Herr Arndt von meinem Vater gegeben hatte, ging langsam zur Neige. Außerdem kam eine eisige Nacht. So ging ich in die Richtung der Scheune, wo ich mein unverwüstliches Kleeblatt zu treffen erwartete. Falls sie ihre Plätze auf der Gasse schon verlassen hatten, wo an einem Tag wie diesem bestimmt ein guter Schnitt zu machen war. Von fern hörte ich einmal Fanfaren. Irgendwo löste man Böllerschüsse, und das Volk drängte mal in diese, mal in jene Richtung. Verkäufer von heißem Gewürzwein und salzigen Brezeln machten gute Geschäfte. Auch ich habe mich dort gestärkt. Mancherlei anderes wurde gehandelt. Da war ein Stand mit Scheren und Messern.
    Warum hast du keine

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