Tanz der Dämonen
überallhin …«
»Ich hatte Euch gewarnt, erinnert Ihr Euch?«
»Erst spät erkennt die Welt die Worte des Propheten …«
»Man musste kein Prophet sein, um die Gefahr zu sehen.« Ich hatte gut reden! Was war denn mit mir selbst?
»Wohl wahr«, sagte er. »Und der Satan hat viele Masken, um das Auge der Sterblichen zu täuschen.«
»Wir haben ihn beide unterschätzt«, sagte ich. »Er wollte auch mich den Bütteln übergeben!«
»Er geht umher wie ein brüllender Löwe, suchend, wen er verschlinge …«
Ich unterbrach ihn: »Man hat Euch – gefoltert?«
Er blieb stehen, das Gesicht wütend verzerrt, so dass sein grotesker Blick plötzlich kaum noch auffiel. »Sie haben es gewagt!«, keuchte er. »Ich hatte es nicht für möglich gehalten. Der Irrtum ist des Menschen Weg.«
»Aber warum?«
Verschwörerisch beugte er sich zu mir. »Er hat mich auch unterschätzt! Ich besitze ein Wissen, das ihm fehlt und das er verzweifelt braucht, hehe! Ich habe es ihm gestohlen! Hehe! Sie haben es nicht aus mir herausbekommen! Am Ende mussten sie mich laufen lassen, weil sie keine Handhabe hatten …«
Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Konnte dergleichen wirklich geschehen – unter den Augen der gerechten Regierung einer so berühmten Stadt?
Anselmus wollte weitergehen, aber er bemerkte mein Zögernund deutete es auf seine Weise: »Fürchtest du etwa immer noch, ich mache mit ihm gemeinsame Sache?«
»Ich – ich glaube nicht …«
»Sei nicht dumm! Ich verabscheue ihn mehr als du! Aber sag mir, worum es dir geht!«
»Ich muss das eine wissen: Ist Nabor mein Vater?«
Der Mund blieb ihm offen stehen. »Unsinn! Nein! Wie kommst du darauf? Ich weiß nicht, wer dein Vater ist, aber er ist es gewiss nicht. Doch etwas anderes sollte dir klar sein: Er ist von Sinnen!«
»Was will er von mir?«
»Von dir erwartet er Hilfe. Frag ihn selber! Es geht um seine Pläne! Er ist von einer einzigen Idee besessen.«
»Dieses Buch?« Ich hatte es mehr geraten als gewusst.
»Das Buch ! Du weißt es also?«
Das Buch, von dem der Aussätzige gesprochen hatte! Ich hörte wieder das Gestammel des Kranken und sein verzweifeltes Schluchzen. Schweigen. Auch Anselmus schien mit einem Mal in Gedanken versunken. »O ja, dieses satanische Buch«, sagte er dann. »Das ist es. Er ist wie im Wahn!«
»Was kann daran so gefährlich sein?«
»Es ist ein schreckliches Buch. Er will es haben! Er würde dafür morden. Er mordet dafür! Verstehst du?«
»Wisst Ihr das genau?«
»Ich war nicht dabei. Aber etwas anderes weiß ich ganz genau: Das Ding ist noch immer in seinem Versteck.« Er hielt erregt inne, beruhigte sich jedoch wieder. »Ich sollte es mit ihm stehlen«, sagte er. »Daher weiß ich es! Einbrechen und stehlen. Er weiß, dass ich von früheren Zeiten her gewisse Erfahrungen auf diesem Gebiet habe. Das hättest du nicht gedacht, wie?« Ein Kichern schüttelte ihn, das wie das Gelächter eines Irrsinnigen klang. Ob er wusste, was er sagte?
»Ihr seid eingebrochen?«, fragte ich misstrauisch. »Was ist daraus geworden?«
»Es ist uns nicht gelungen. Um ein Haar hätten die Wachen unsgefasst! Wär ein Spaß gewesen! Oh, er ist gierig und feige zugleich! Er will es haben! Er wird es nicht kriegen. Hihi! Sein Verstand geht ihm dabei vor die Hunde!« Seine Stimme sank zu einem Gemurmel herab. Ich hörte nur: »Aber für dich ist keine Gefahr!« Und in plötzlicher Hast zog er mich davon.
IE S TUNDE P ATER N ABORS
Pater Nabor hatte einen Klingelzug an seiner Tür, der seit Jahren unbenutzt zu sein schien. Ich nahm den Griff in die Hand und bewegte ihn probeweise. Nichts geschah. Ich zog stärker. Nichts zu hören.
Es dunkelte schon wieder. Etwas sagte mir – nicht zum ersten Mal in diesen Tagen! –, dass ich genau das Falsche tat. Unsicher blickte ich mich um. Anselmus beugte sich aus dem Schatten des gegenüberliegenden Toreingangs vor, nickte heftig und verbarg sich wieder. Unklar hatte ich das Empfinden, eine solche Szene schon erlebt zu haben.
Sei’s drum! Ich riss mit aller Kraft am Klingelzug und gleich noch einmal. Ein dünnes Scheppern drang an mein Ohr, gedämpft durch die schwere Tür. Kein anderer Laut. Ich zog erneut.
Da wurde mir plötzlich klar, dass sich die Tür bereits geöffnet hatte, lautlos, als wäre sie aufs Beste geölt. Und gerade nur so weit, dass ein schwarzes Auge argwöhnisch herausblicken konnte. Pater Nabor sah mich an!
»Du?«, fragte er.
Er war überrascht! Also
Weitere Kostenlose Bücher