Tanz der Dämonen
hatte er nicht auf mich gewartet. Ich musste schlucken, ehe ich antworten konnte. »Man hat mir gesagt … Ihr wollt mich sprechen.«
Er zögerte. »Wie man’s nimmt … Bist du allein?«
»Seht Ihr sonst jemanden?«
»Wer schickt dich?«
»Der, den Ihr beauftragt habt.«
»Ich? Ich habe keinen … Komm herein.«
»Nein. Wir reden hier !«
Der Gang des Gespräches verwirrte mich, aber ich warentschlossen, in diesem Punkt nicht nachzugeben. Er öffnete die Tür weiter und spähte misstrauisch nach rechts und links.
»Warte«, sagte er. »Ich nehme meinen Mantel. So. Und jetzt komm – in Gottes Namen!«
In Gottes Namen? Da hatte ich meine Zweifel. Aber ich ging mit ihm. Trotz der warnenden Stimme in meinem Innern. Ich wollte Klarheit.
Pater Nabor überquerte hastig die Gasse, und wir gingen dicht an Anselmus vorbei, doch ohne dass von dem Kerl etwas zu sehen war. Zu meiner Überraschung trat Pater Nabor in einen Durchgang neben dem Schusterladen, den ich zuvor gar nicht bemerkt hatte. Er sperrte eine Tür auf und wollte mich mit sich ziehen. Ich weigerte mich.
»Wohin wollt Ihr?«
»Sei kein Narr! Dies ist ein Durchgang zur nächsten Gasse.«
»Ich will sehen …«
»Hör zu, ich erwarte nicht, dass du mir vertraust, aber ich werde keinesfalls mit dir auf der Gasse herumlaufen, wo mich jeder sieht! Pass auf: Ich gehe voraus.«
Es lag ein Hof hinter dem Durchgang, und dann folgte ein Torweg.
»Also geht«, sagte ich. Er schnaubte wütend und tat, was er angeboten hatte. Während ich ihm folgte, hielt ich sorgsam Abstand. Mindestens drei Schritte. Ohne ein weiteres Wort gelangten wir auf einen kleinen Platz, wo gedämpfter Lärm aus einer Kneipe scholl, und nach ein paar weiteren Schritten öffnete sich – für mich unerwartet – der Blick auf den Turm des Doms. Finster erhob sich die Masse des unvollendeten Baus in der hereinbrechenden Nacht. Ich schauderte, ohne genau zu wissen, warum.
»Da gehen wir hin«, sagte er. »Da können wir reden.«
Die Baustelle lag verlassen da. Während des Winters wurden die meisten Arbeiten an der Kathedrale wohl eingestellt, und durch das feierliche Ereignis dieses Tages, das erneut die ganze Stadt in Festlaune versetzt hatte, war auch hier anscheinend alle Tätigkeitunterblieben. Steine und Arbeitsgerät lagen unberührt. Eine dünne Schicht von Schnee bedeckte die Stapel von Quadern und Bauholz. Nur ein Wächter, der sich ein bescheidenes Feuer angezündet hatte, hockte in einer Schutzhütte am Turmportal. Aus dem Dunkel blickten die Skulpturen von Heiligen und Ungeheuern auf uns herab.
»Oh, Ihr seid es, Hochwürden«, stotterte der Wächter und rappelte sich auf. Er roch nach Fusel und konnte kaum gerade stehen.
»Heißt das Wache halten?«, fragte Pater Nabor angewidert. »Wenn du dich nicht zusammenreißt, wird dich der Teufel holen!«
»Ich h-habe alles im Griff, ehr-w-würdiger Vater …«
Wir betraten den mächtigen Turmbau und fingen an, die Stufen seiner Wendeltreppe emporzusteigen.
»Man kennt Euch hier?«, fragte ich.
»Ja. Es sind mir gewisse Kontrollen übertragen worden. Ha! Sie fürchten mich.«
Das wollte ich gerne glauben. Ein Blick zurück zeigte mir, dass der Wächter sich erleichtert wieder an seinem Feuer niedergelassen hatte. Er murmelte etwas, das man wohl besser nicht verstand.
»Komm schon!«, drängte Pater Nabor. Ich zögerte erneut. Sollte ich wirklich da hinauf gehen – mit ihm ? Da oben war gewiss sonst keine Menschenseele. Ich würde mit diesem unheimlichen Mann alleine sein. Heimlich tastete ich nach meinem neu erworbenen Messer. Das gab mir Dummkopf ein Gefühl von Sicherheit.
»Du willst doch wissen, wo dein Vater ist – oder?« Das war die Stimme des Priesters aus dem Dunkel der Wendeltreppe. Dieser Satz gab den Ausschlag: Ich war närrisch genug, ihm zu folgen. Wenn auch mit bangem Herzen. Dann musste ich mich ganz darauf konzentrieren, die Stufen im Dunkel mit den Fußspitzen zu ertasten.
Pater Nabor war immer ein Stück vor mir. Er keuchte erheblich, als wir die erste Unterbrechung der Treppe erreichten. Kaltes Licht fiel durch ein schmales Fenster in die Finsternis. Der Mond war aufgegangen.
»Nirgends Ordnung auf der Welt«, nörgelte Nabor, als er gegenein Bündel Holzlatten stieß, die im Weg standen und durch seine Berührung zur Seite kippten. Es gab einen Aufprall gegen die Holzverschalung am Gewölbe, dann ein unheimliches Rascheln zwischen den Brettern, und einige Fledermäuse kamen taumelnd
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