Tanz der Dämonen
Buckel nehmen«, hatte Bär gesagt.
»Wenn’s um Geschwindigkeit geht, gibt meine Karosse nicht viel her«, war Knallers Antwort gewesen. »Sie ist überhaupt nur halb so bequem, wie ich gedacht habe.«
»Sei’s drum. Ich bin’s ja gewöhnt. Also: Wenn der Kerl bei uns auftaucht, werde ich pfeifen.«
»Und du, Zunge?«, hatte ich gefragt.
Zunge hatte eine beleidigte Miene aufgesetzt.
»Wie meinst du das?«, hatte Bär gesagt. »Zunge kann nicht reden. Aber pfeifen kann er, dass dir die Ohren scheppern! Mach es mal vor!«
»Nein, bloß nicht!«, hatte Anselmus protestiert, indem er sich den Kopf hielt, aber da war es schon zu spät gewesen. Zunge hatte sein Bestes gegeben, und eins war klar: Im Pfeifen machte ihm keiner etwas vor.
Auch jetzt war es zweifellos er, von dem dieser Doppelpfiff kam. Also von links! Mein Herz klopfte heftig. Ich lauschte: hastige Schritte.
»Das ist er, der Bastard!«, zischte Anselmus. Ich spannte die Muskeln an, um vorzuspringen, und fragte mich, was ich wohl als Erstes zu ihm sagen würde. Aber Anselmus hielt mich an der Schulter fest.
»Warte! Er ist nicht allein.«
Ein langer Schatten fiel in unser Blickfeld, dann tauchte Pater Nabors vermummte Gestalt auf. Der Priester warf argwöhnische Blicke um sich – entdeckte uns aber nicht – und eilte auf die Tür seines Hauses zu. Ein anderer Mann folgte ihm. Er war mittelgroß und gut gekleidet; sein weiter Mantel leuchtete rot; er bewegte sich zielstrebig, aber ohne jene Hast, die an Nabor so auffiel. Und ihm folgte ein Hund, ein riesiges Tier von unbestimmter Rasse,das mitten in der Gasse stehen blieb und misstrauisch zu uns herüberschnupperte. Er knurrte leise. Die Augen glühten drohend. Ich spürte schmerzhaft Anselmus’ krampfhaften Griff an meiner Schulter. Da drehte sich der Mann im roten Mantel um und pfiff durch die Zähne. Ich sah sein Gesicht. Was sich mir in diesem kurzen Moment am stärksten einprägte, war sein selbstbewusster und etwas spöttischer Ausdruck. Er war von mittleren Jahren und wirkte elegant, fast stutzerhaft. Ein Barett mit einer Feder; rötlich blondes Haar; ein Bärtchen am Kinn.
»Der Teufel«, flüsterte Anselmus. »Hast du ihn gesehen? Das ist der Satan, ich weiß es genau!«
»Unsinn«, gab ich zurück. »Wie kommst du darauf?«
»Ich weiß es«, wiederholte er. »Hast du dir den Kerl nicht angesehen?«
Inzwischen hatte Nabor die Tür aufgeschlossen, und alle drei verschwanden im Haus, zuletzt der Hund, der nur widerstrebend dem Befehl seines Herrn gehorchte. Die Tür klappte zu, und man hörte, dass sie umständlich verriegelt wurde.
Es war wieder still in der Gasse. Anselmus und ich hockten etwas ratlos in unserem Versteck. Kurze Zeit darauf öffnete sich die Ladentür in unserem Rücken. Ein untersetzter Mann im Sonntagsgewand trat hervor. Wohl der Schuhmachermeister. Ihm folgten eine dickliche Frau, die so wirkte, als hätte sie Haare auf den Zähnen, und mehrere blasse Kinder, aufgereiht wie die Orgelpfeifen. Der Blick des Meisters fiel auf Anselmus und mich.
»Was tut ihr hier?«, fuhr er uns an.
»Wir gehen schon.«
»Dreckiges Gesindel!«, keifte die Frau. »Lasst euch nicht wieder sehen!«
Anselmus wandte ihr die ungleichen Augen zu. Die braven Leute schraken zurück, und der Reihe nach bekreuzigten sie sich. Anselmus grinste befriedigt.
Wir verließen also unseren Posten und trafen uns mit Bär und Knaller. Ein dreifacher Pfiff rief auch Zunge herbei.
»Das war also nichts«, sagte Bär, als ich berichtet hatte.
»Wir müssen eben warten, bis wir ihn alleine erwischen«, sagte Anselmus.
»Die nächsten Stunden wird er sich verkriechen«, sagte Bär. »Besonders, wenn er es tatsächlich scheut, unter Menschen zu sein. Hier wird es bald hoch hergehen!«
»Die Majestäten!«, sagte Knaller in gespielter Ehrfurcht. »Ihr Vortrupp ist schon gemeldet. Das Volk wartet auf ihren Einzug.« War auch der Kaiser wieder dabei? Davon hatte ich nichts gehört.
»Wir werden unsere Plätze einnehmen«, sagte Bär. »Ein solcher Tag ist eine Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen darf.«
Ich spürte eine gewisse Erleichterung. Eigentlich hatte ich es gar nicht eilig, diesem Nabor wieder zu begegnen. Dieses Empfinden hatte sich bei seinem Anblick nur gefestigt. Dennoch wusste ich im Innersten, dass ich nicht daran vorbeikommen würde. Hätte ich es doch schon hinter mir!
Die Stadt hatte Festtagsputz angelegt. Fahnen, Girlanden und Bänder in Weiß und Rot. Am Dom
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