Tanz der Dämonen
weiß!«
»Und wie soll ich ihn dann nach draußen locken?«, fragte ich.
Anselmus zuckte die Schultern. »Vergiss nicht: Diesmal will er was von dir .«
»Aber – hast du dich denn tatsächlich entschieden?«, fragte Bär.
»Welchen Weg gibt es sonst?«
Er tastete nach meinem Arm und zog mich zu sich heran. »Lassuns hingehen, wo uns keiner zuhören kann«, raunte er. Ich führte ihn auf den Abfallplatz hinter der Scheune.
»Hier sind wir alleine«, sagte ich.
Er nickte nachdenklich. »Hör zu«, sagte er. »Du wirst schlau sein müssen. Dem Burschen ist nicht zu trauen. Du weißt es ja schon.«
Nur zu genau wusste ich das. An meinen letzten Gang zu diesem beängstigenden Mann durfte ich gar nicht denken. Wenn ich mich wirklich hergab, ihn noch einmal aufzusuchen, dann nur, weil ich anders nie ans Ziel gelangen konnte, jedenfalls glaubte ich das.
»Ich war überzeugt, dass er mich nie mehr sehen wollte …«
»Er will dich sehen. Das wird schon stimmen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, warum. Er hat ein Problem, und von dir erhofft er die Lösung. Vielleicht will er wissen, was du herausgefunden hast.«
»In meiner Sache?«
»Oder einer anderen. Was haben wir denn gestern beredet? Vielleicht hängt alles zusammen.«
Ich wusste nichts zu erwidern.
»Und dieser Anselmus«, sagte er. »Was der will, weiß ich auch nicht, aber auch dem trau ich nicht mehr als – so …« Er zeigte mit der Hand einen sehr kleinen Abstand.
»Ich verstehe.«
Er nickte. »Ich fürchte, du verstehst und verstehst doch nicht.«
Ein Frösteln überlief mich beim Anblick der Tür. Nabors Haus hatte etwas Düsteres. Seltsam, wie sich manchmal Dinge und Menschen entsprechen. Der Eingang lag in einer kleinen, dämmrigen Quergasse, gar nicht weit vom Dom. Gegenüber befand sich eine Schuhmacherwerkstatt unter einem Torbogen; der hatte ein Vordach, unter dem im Sommer wohl Schuhe zum Verkauf angeboten wurden. Nun stapelte sich dort nur Gerümpel; Katzen spielten dazwischen, und in der Gosse sammelte sich Schmutzwasser mit Unrat, ein trübes, schlüpfriges Eisgemenge.
»Hier werden wir uns verstecken«, sagte Anselmus. »Halte du dieTür im Auge. Wahrscheinlich steckt er im Haus. Obwohl ich keinen Rauch am Schornstein sehe. Ich werde mich hinter den Krempel da zurückziehen. Mir brummt der Schädel. Verdammter Nebel.«
Das kommt nicht vom Nebel, dachte ich, das kommt von deinem Fusel. Den schwitzt du ja aus allen Poren.
Er wickelte sich in seinen schmutzigen Mantel, gähnte herzhaft und fügte hinzu: »Ist nicht nötig, dass dieser lausige Pfaffe mich zu sehen bekommt. Verstanden?« Damit verkroch er sich hinter ein paar alten Kisten.
Sein letzter Satz gab mir zu denken, während ich mich mit einer Decke im Schatten eines Mauerpfeilers niederließ. Einiges war merkwürdig. Woher hatte Anselmus das Geld für den Schnaps? Von Pater Nabor? Im Voraus? Oder womöglich von jemand anderem, dem an einem Treffen zwischen mir und dem Priester gelegen war? Verrückte Idee! Ein Unbekannter? Wohl kaum. Der Schwarze Hund? Der Ohrring oder sein Auftraggeber? Etwa Herr Lennart? Aber wozu? Wozu!
Langsam drang die Sonne durch, und der Dunst in der Gasse nahm ein unwirkliches Leuchten an. Tauben und Spatzen zankten sich um den Abfall in der Gosse, und die Katzen jagten hinter den Vögeln her. Ab und zu kamen Leute vorüber, die den Eindruck erweckten, es sei ihnen unbehaglich an diesem Ort und sie wollten die Gasse möglichst rasch hinter sich bringen. Wenn sie miteinander redeten, so geschah es auffällig leise. Die Fenster rechts und links waren alle geschlossen, und die Werkstatt blieb verrammelt. Nur hin und wieder hörte ich Stimmen aus einem der Häuser oder Geräusche, die auf die Anwesenheit von Menschen hindeuteten. Dabei war es ein normaler Werktag, oder nicht? Ich erinnerte mich, dass in der Scheune vom König geredet worden war, König Ferdinand, dem man vor ein paar Tagen in Aachen die Krone aufgesetzt hatte. Heute, so hieß es, werde er wieder in Köln erwartet. Ob deshalb alles so anders war als sonst?
Meine Gedanken wanderten von einer Sache zur nächsten. Dabei müssen mir die Augen schwer geworden sein. Ich nickte ein.
Da! Ein schriller Pfiff und noch einer. Sofort war ich wieder hellwach und rüttelte Anselmus an der Schulter. »Er kommt!«
An einem Ende der Gasse hatte sich Zunge postiert, am anderen waren Bär und Knaller. Das war so verabredet.
»Jetzt muss ich den stinkigen Hänfling schon wieder auf meinen
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