Tanz der Dämonen
Waffe?, dachte ich. Vater Sebastian hatte einmal gesagt: »Wer eine Waffe trägt, wird sie früher oder später benutzen.«
Aber er hatte nicht vorhersehen können, in welch einer Lage ich jetzt war!
Der Händler fasste mich ins Auge. »Ein Dolch, junger Herr? Das macht Euch zum Ritter! Der große da? Oder soll es was Hübsches sein?«
»Das da«, sagte ich und zeigte auf ein kleines, aber kräftig aussehendes Messer.
»Eine gute Wahl«, sagte er und streckte die Hand nach dem Geld aus.
Ehe ich weiterging, steckte ich meine Geldbörse – mochte sie jetzt auch erbärmlich schlecht genährt sein – tief unters Hemd, so dass kein Dieb herankonnte, ohne mir an die Brust zu grapschen. Das würde ich schon merken. Gleichzeitig wurde ich mir meiner wachsenden Unruhe bewusst. Bin ich überhaupt alleine?, kam es mir in den Sinn. Vielleicht wurde ich beobachtet, ohne es zu merken? Das wäre wohl nicht das erste Mal. Wie sonst konnte es sein, dass andere so viel über mich wussten? Ich war vermutlich immer noch zu arglos. Das Einzige, worauf ich achtete: dass ich den Bütteln aus dem Weg ging. Deren Aufmerksamkeit wollte ich nicht herausfordern, seit ich gesehen hatte, dass Pater Nabor einige von ihnen auf mich angesetzt hatte. Herr Lennart sagte zwar, ich hätte nichts mehr zu befürchten, aber – durfte ich mich darauf verlassen? Ich hatte nicht vergessen, was für eine seltsame Bemerkung der Aufseher von Melaten gemacht hatte, als er vom Tod des Aussätzigen berichtete: Gerade Lennart sei Pater Nabor verpflichtet!
Mit plötzlicher Besorgnis – aber so unauffällig wie möglich – blickte ich um mich. Folgte man mir? Hatte ich nicht selbst erfahren, wie leicht es in diesen Gassen war, jemanden unbemerkt zu beobachten? Wie töricht, das immer wieder zu vergessen! Ich dachte: Nimm dir ein Beispiel an Ahasver! Der hat stets damit gerechnet, ja er hat es erwartet. Und er weiß mehr als du – wenn er noch lebt.
Ich fasste einen Entschluss. Kurzerhand kroch ich in den nächsten Winkel, der sich bot, und kauerte mich neben einer Haustreppe ins Dunkel. Wenn mir jemand folgte, würde ich ihn sehen. Ich wartete. Niemand kam.
Vielleicht noch ein wenig länger, dachte ich.
Volk aller Art schob vorüber. Keiner, den ich kannte. Es war feucht und kalt hier unten. Eine Pissecke, deren Gestank einem den Atem raubte.
Du machst dich zum Narren, dachte ich, stand auf und streckte die schmerzenden Knie. In dem Augenblick zuckte ich zusammen:Vor mir stand Bruder Anselmus, wie aus dem Nichts herbeigezaubert, und starrte mir mit der ganzen Macht seines verqueren Blicks ins Gesicht.
»Da bist du ja«, sagte er unwirsch. »Dich habe ich überall gesucht. Er ist alleine. Du musst sofort mit mir kommen!«
»Wie? Jetzt gleich?«
»Zu Pater Nabor! Die Stunde ist günstig.«
»Günstig wofür?«
»So komm doch!«
»Nicht ohne meine Freunde!«
Anselmus verdrehte die Augen, was wirklich beunruhigend aussah.
»Bin ich nicht dein Freund? Du verschenkst die beste Gelegenheit! Er kann dir sagen, was du wissen willst, und er wird es tun, wenn du geschickt bist!«
»Ich will ja gehen …«
»Dann komm! Ich habe mir doch nicht umsonst die Beine krumm gelaufen!«
»Aber ich …«
»Kein Aber, verflixt! Oder hast du Angst?«
Ich hatte Angst, aber ich brachte es nicht fertig, sein Fordern abzuwehren. Es war, als habe er mich mit seinem Blick behext. Oder packte mich einfach die Tollheit?
»Ich werde im Hintergrund stehen und aufpassen«, sagte er. »Du wirst dich ja nicht hineinlocken lassen – oder?«
Es war nicht das erste Mal in meinem Leben, dass ich alle Vernunft in den Wind schlug. Und nicht das letzte. Leider. Auch wollte ich wohl – in meiner Dummheit! – nicht für feige gehalten werden.
»Also, was soll sein?«, drängte er.
»Ich komme …«
Er nickte und ging ohne ein weiteres Wort voraus. Dennoch wollte ich den Versuch machen, ihn etwas zu fragen, wofür er am Morgen in unserem Versteck keine Gelegenheit gegeben hatte. Daswürde mir auch helfen, sein Verhältnis zu Pater Nabor einzuschätzen. »Er ist es, der Euch in den Kerker gebracht hat. Das wisst Ihr doch?«
»Natürlich weiß ich das! Der würdige Herr, den viele für einen Gottesmann halten, hasst mich mehr, als ich geglaubt habe! Sie sind zu mir gekommen und haben mich davongeschleppt. Niemand hat seinen Namen erwähnt, aber ich weiß, dass er es ist, der dahinter steckt. O ja! Der Teufelsdiener! Er ist gefährlicher, als du denkst! Er hat Verbindungen
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