Tanz der Dämonen
Gesichtern.
»Komm her!«, schrie einer. »Steig aus dem Boot, verdammt noch mal!«
Da gab ich mir einen Ruck und löste mich aus dem Bann. Dabei handelte ich, ohne zu überlegen. Es riss mich davon. Mit einem Satz warf ich mich hinweg über die Köpfe der Männer, die im Wasser standen. Ich muss in die Uferwellen gestürzt und gleich wiederaufgesprungen sein. Den Händen, die nach mir griffen, bin ich entgangen, weil ich sie abschüttelte und in heilloser Flucht davonraste. Dunkelheit umfing mich, mein Herz klopfte wie ein Hammer, dann war da Sambos Stimme.
»Ruhig!«, sagte er. »Ganz ruhig …«
Oder ist das schon eine Erinnerung vom Tag danach?
Vierter Teil
ZWEIFEL
IEBER
Tiefes Dunkel, seltsame Laute. Vielleicht nur das Pochen des Blutes in meinen Schläfen? Eine schwerfällige Gestalt. Ein Ungeheuer! Langsam und bedächtig kommt es auf mich zu. Es stiert aus zahllosen Augen unverwandt auf mich. Seine Schultern sind so gewaltig, dass die stachelhäutigen Schwingen, zusammengefaltet wie die einer Fledermaus, bei jeder Bewegung gegen die bröcklige Wand der Höhle streifen. Echsenhafte Schuppen. Krallen wie Dolche. Zurückweichen kann ich nicht; mein Rücken berührt schon die Wand. Da hallt eine Stimme: »Siehe, ein Tier, furchtbar und schrecklich und sehr stark, das hat große eiserne Zähne, frisst um sich und zermalmt, und was übrig bleibt, zertritt es mit den Füßen. Es ist ihm große Macht gegeben, und siehe, es hat zehn furchtbare Hörner und dazu eines, das hat Augen wie Menschenaugen, und ein Maul, das redet große Dinge.« Die Stimme erlischt, aber das Tier ist noch da. Es beugt sich über mich, das geifernde Maul halb geöffnet, hängende Lefzen und gierige Schlünde voll Fäulnisgestank … Da raffe ich mich auf, und die Worte kommen ganz von selbst. Vertraute Worte, die ich der Schimäre entgegenschleudere: »Voller Güte ist Gott der Herr gegen alle, die reinen Herzens sind!«
Keinerlei Wirkung. Das Wesen scheint nachdenklich auf etwas zu lauschen, das ich nicht vernehmen kann, und dann setzt es eine Pranke auf meine Brust. Ich ringe nach Atem … Finsternis bedeckt die Erde … Eine Erschütterung geht durch den Fels, auf dem ich liege. Alles dröhnt um mich her. Sieben Donner! Das Himmelsgewölbe selbst muss bersten, gewaltige Massen sind in Bewegung und stürzen nieder. Immer aufs Neue. Im Rhythmus meines Herzens. Was bleibt, sind Betäubung und Schmerz. Dazu eine andere Stimme, die etwas sagt, das ich nicht verstehe. Doch es ist einevertraute Stimme, und ihr Tonfall klingt besänftigend. Wieder und wieder kommt dieser Traum, oder ist das alles nur ein Wahn?
Ich fühlte ein kaltes Tuch auf meiner Stirn und schlug die Augen auf. Ein schwarzes Gesicht, das sich über mich neigte.
»Sambo«, flüsterte ich.
Dann war wieder Nacht.
Wie lange danach war es, dass ich ein zweites Mal zu mir kam? Watte im Schädel und Galle im Mund.
»Trink das«, sagte Sambo. »Frisches Wasser.«
Ich gehorchte, fügsam wie ein Kind.
Er stützte meinen Kopf, und ein breites Grinsen ging über sein Gesicht.
»Ja. Das ist es«, sagte er. »Jetzt ist wieder Hoffnung.«
Langsam begann ich um mich zu schauen. Das war nicht der Schuppen, in dem wir zuletzt mit Ahasver gehaust hatten. Es war ein richtiges Zimmer.
Ahasver … Ich spürte, dass es Erinnerungen gab, die sich mir aufdrängen wollten, aber ich wollte sie nicht kennen, und die Müdigkeit meiner Gedanken half mir, sie abzuwehren. Vorerst.
»Trink noch einmal.«
Wieder gehorchte ich. Da war ein seltsam bitterer Geschmack.
»Das Wasser …«, sagte ich. »Es ist nicht nur Wasser, nicht wahr?«
»Es ist das, was du jetzt brauchst.« Er legte die Hand auf meine Stirn und fühlte dann nach meinem Puls.
»Die anderen – wo sind sie?« Es war nicht mehr als ein Flüstern, aber er verstand.
»Nicht jetzt«, sagte er. »Nicht reden. Später.«
Ich fügte mich nur zu gerne. Wiederum legte sich der Nebel des Schlafes über meine Gedanken. Als ich erneut erwachte, hatte ich Hunger.
Und wieder war Sambo da, und noch jemand anders. Ich erhielt Haferbrei und Brot. Und wieder Wasser mit dem seltsamen Beigeschmack.
»Pietro?«
»Nein.«
»A-Ahasver?«
»Nein.«
»Wer dann? Wer seid Ihr?«
Ein rundes Gesicht beugte sich über mich, und zwei aufmerksame Augen blickten mich forschend an.
»Mutter Gluck!«
»Wenigstens erkennst du deine alten Freunde wieder.«
Ich war bei ihr. Ich lag in ihrem Bett!
»Aber …«
»Schweig jetzt! Vom vielen Reden kommt
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