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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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mit Krachen und Schaben gegen das dünne Holz. Ahasver brachte es fertig, seinen Mantel auszuziehen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Er hatte seine lederne Tasche um den Leib geschnallt und suchte emsig etwas darin.
    Unsicher raffte ich mich auf und näherte mich seiner wuchtigen Gestalt.
    »Um Gottes willen, was habt Ihr vor?«, rief ich und hatte den Eindruck, dass der Wind jedes Wort ungehört von meinen Lippen riss. Der Alte aber drehte sich um und hielt – wie zur Antwort – triumphierend eine glitzernde Flasche empor.
    »Pah!«, brüllte er. »Künder des Chaos!« Alles andere verschluckte der Wind, aber mir war klar, dass er sich wieder in den Text jenes rätselhaften Bühnendramas hineinsteigerte, aus dem er in Augenblicken der Euphorie am liebsten deklamierte.
    Dabei nahm er einen Schluck aus der Flasche und schwenkte dann den Arm weit ausholend durch die Luft. Ich hörte ein Klirren. Er hatte das Gefäß an den Planken des Schiffsrumpfeszerschmettert. Dann schleuderte er seine Laterne hinterher. Es gab eine Stichflamme, die blendend emporsprang, und eine Welle von Feuer lief mit bedrohlichem Fauchen über das morsche Holz.
    »Ah! Lodernde Flamme!«, schrie Ahasver. »Sündenbabel! Sodom und Gomorrha!«
    Er dreht sich wieder zu mir, das Gesicht zu einer unheimlichen Grimasse verzerrt. In seinen aufgerissenen Augen ist fast nur das Weiße zu erkennen.
    »Ihr seid wahnsinnig!«, rufe ich entgeistert.
    Seine Bewegung erstarrt, und eisiger Schrecken durchfährt mich unter dem Blick, den er auf mich richtet. Es ist eine Szene wie in einem Albtraum: ringsum der Feuerschein über dem brausenden Wasser, Ahasvers Gestalt im Bug des tanzenden Boots, hoch aufgerichtet und scharf umrissen, am Ufer, wie ich aus den Augenwinkeln sehe, zahlreiche reglose Gestalten – Schaulustige, auf das Geschehen aufmerksam geworden, eilig herbeigeeilt und voller Neugierde wartend, was der nächste Augenblick bringen wird.
    »Gott steh uns bei!«, höre ich mich flüstern.
    Das Boot beginnt von neuem heftig zu schaukeln, während Ahasver einen Schritt auf mich zu macht. Eis prallt gegen die Planken am Bug, und die Taue, die uns an den Pfählen festhalten, ächzen vor Anspannung. Die Augen des Alten funkeln mich an.
    »Du hast nichts verstanden«, grollt er. »Du hast keine Ahnung, um was es eigentlich geht, aber du erlaubst dir ein Urteil!«
    »Dann sagt mir, worum es geht!«
    Er scheint nicht zu hören. Sein Gesicht ist von Wut entstellt, und er streckt die Hände wie Klauen nach mir aus. Ich halte ihm das Feuerrohr entgegen, abwehrend, kaum wissend, was ich tue, und weiche zurück. Er bekommt den Lauf zu fassen und zerrt daran.
    »Loslassen!«, schreie ich. Er knurrt und schneidet eine höhnische Grimasse. Ich versuche zu entrinnen und stolpere. Im selben Augenblick spüre ich einen betäubenden Schlag. Grelles Licht zuckt über Ahasvers Züge. Die Waffe ist losgegangen, und die Explosionhallt in meinen Ohren. Für einen Augenblick ist alles in Pulverrauch gehüllt, doch der Wind trägt die Wolke rasch davon.
    Ahasver bäumt sich auf und schwankt, beide Hände gegen die Brust gekrampft, und ich sehe, wie Blut hervorquillt. So viel Blut!
    Sein Gesicht ist eine Maske zornigen Staunens. »Das kann nicht sein«, röchelt er.
    Blut strömt jetzt auch aus seinem Mund, und sein Körper sackt in sich zusammen, er taumelt einen Lidschlag lang über der Bordkante und stürzt in das schwarze, strudelnde Wasser.
    Ich stehe wie versteinert. Das Letzte, was ich sehe, ist eine Hand, die ins Leere greift, bevor sich das Eis über der Stelle schließt, wo er verschwunden ist.
    Ich falle gegen die Ruderbank, und dumpf poltert das Feuerrohr auf die Planken.
    Was dann geschehen ist, weiß ich nur noch vage. Es kommt mir weniger greifbar vor als der Inhalt vieler Träume aus jener Zeit. Mir ist, als hätte ich eine Ewigkeit auf das strudelnde Wasser gestarrt, ohne wirklich etwas zu sehen.
    Feuer!, dröhnte es mit irrsinniger Heftigkeit in meinem Kopf. Ich habe ihn im Feuer gesehen, und nun ist es Wasser, worin er versunken ist!
    Ich fröstelte trotz meiner Jacke und spürte die Kälte des Wassers, das in meine Stiefel gelaufen war. War alles dies denn tatsächlich geschehen? Ein blitzhaftes Empfinden von Unwirklichkeit überwältigte mich. Stimmen drangen in mein Bewusstsein. Männer waren vom Ufer ins Wasser gewatet, packten das Boot und zerrten es aus der reißenden Strömung. Ich sah den Schein der Flammen auf ihren angestrengten

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