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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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verließen, wandte er sich um und zeigte auf die Handbüchse, die ich zurückgelassen hatte.
    »Das Ding solltest du mitnehmen«, sagte er. »Könnte sein, dass wir es brauchen. Und zünd die Lunte an!«
    Ich gehorchte wieder, aber es dauerte einige Zeit, weil mir die Finger zitterten.
    »Schon gut«, sagte er. »Schütze es gegen den Wind. Solange du die Feder gespannt hältst, besteht keine Gefahr.« Er grinste und fügte hinzu: »Jedenfalls wird nun jeder einen gesunden Respekt vor dir haben.«
    Zieht Euch selber auf!, hätte ich sagen mögen. Aber ich hielt den Mund.
    Wir gingen in den Abend hinaus. Es war bereits finster. Der Wind blies noch stärker.
    Ich barg das mörderische Instrument unter dem Jackenzipfel.
    Ahasver blickte aufmerksam um sich und pfiff leise vor sich hin. Das hatte ich noch nie bei ihm gehört. Ob es ein gutes Zeichen war?
    An einer Straßenecke blieb er stehen, die Laterne mit der Hand beschirmend, so dass der Schein nicht auf sein Gesicht fiel.
    »Und dein Vater …«, sagte er.
    »Was ist mit ihm?«
    »Ist er so, wie du ihn dir vorgestellt hast?«
    Ich zögerte. »Ihr kennt ihn ja«, sagte ich dann. »Besser als ich jedenfalls. Da wird es Euch klar sein: Man weiß bei ihm wohl nie, woran man ist.«
    »Gut gesprochen«, sagte er. »Aber glaub mir eins: Er ist froh, dass du bei ihm bist!«
    Bin ich bei ihm?, dachte ich.
    Er ging bereits weiter, und ich tappte hinterdrein, sorgsam bemüht, nicht zu stolpern.
    Nach kurzer Zeit wusste ich, wohin er unterwegs war. Da war die Stadtmauer mit dem Tor, und dicht vor uns hörte man den Strom rauschen. Es waren noch Leute unterwegs. Die Wachen kümmerten sich um keinen. Zum Glück wussten sie nicht, was ich unter der Jacke hielt, und der Wind zerstreute den Geruch der Lunte.
    Ahasver hielt zielstrebig auf das Schiff zu, das in den letzten Tagen unser Zufluchtsort gewesen war. Sein Schritt war fest und kraftvoll. Die Beinverletzung schien ihm gar nichts mehr auszumachen, und er vermittelte den Eindruck von Zuversicht und Entschlossenheit.
    »Gib Acht«, warnte er; seine Stimme trug sogar gegen den Wind. »Das Wasser ist gestiegen. Es kommt viel Eis!«
    Er trat ohne Zögern in die äußersten Wellen am Ufer hinein. Sein Mantel umflatterte ihn wie schwarze Flügel. Mehr denn je sah er aus wie ein gigantischer Rabe. Was in aller Welt hatte er vor?
    Ahasver ging zu einem Boot, das neben dem düster aufragenden Schiffsrumpf lag. Mit Tauen waren der Bug am Ufer und das Heck an einer Gruppe von Pfählen festgemacht, die ein Stück weit draußen im Strom eingerammt waren.
    »Steig da hinein!«, rief er mir zu. Ich zögerte. »Nun beeil dich schon!«, fügte er hinzu und stieß mich vorwärts. Ich musste ein paar Schritte ins eisige Wasser hinauswaten, bevor ich den Bootsrand ergreifen konnte, und meine Stiefel waren nicht wasserdicht. Ich fror. Vorsichtig legte ich die Waffe auf eine der Ruderbänke und zog mich die Bordwand hinauf. Sobald ich mit dem Oberkörper im Boot war, packte der Alte mich an den Beinen und hob mich empor, so dass ich kopfüber in den Kahn geworfen wurde. Schon folgte er nach, und ich staunte erneut über seine geradezu jugendliche Kraft und Behändigkeit. War das derselbe Mann, der vor nur wenigen Tagen als ein gebrochener Greis vor mir gelegen hatte?
    »Na also!«, rief er. »Nimm das Ding, damit es uns nicht zwischen die Füße kommt!«
    Ich gehorchte und hob die Waffe, an der die Lunte immer noch gloste, mit bebenden Fingern auf. In meinem Bemühen, diesesgefährliche Instrument nur ja keinem Stoß auszusetzen, beachtete ich kaum, was der Alte tat. Dann aber, als ich mich umblickte, gewahrte ich zu meinem Schrecken, dass er das Tau am Bug gelöst hatte. Das Boot wurde augenblicklich vom Ufer weggedrückt und schwang in der Länge herum, bis es in Richtung der Strömung lag. Das Heck war weiterhin an den Pfählen festgemacht und befand sich in Reichweite der senkrecht aufragenden Schiffsflanke. Im Plankenwerk klaffte eine türgroße Öffnung mit geborstenen Balkenstümpfen an den Rändern. Von dieser Seite hatte ich das Wrack vorher nicht gesehen.
    Das wird nie wieder schwimmen, dachte ich. Er wird doch nicht da hineinsteigen wollen?
    Ahasver stand im Bug, breitbeinig das Schwanken ausgleichend, als habe er sein Leben auf dem Wasser zugebracht. Ich hingegen kauerte mich nieder, jederzeit gewärtig, dass der Bootsrumpf umschlagen könnte. Das Wasser schoss schwarz und schäumend an mir vorbei, und immer wieder prallten Eisschollen

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