Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
Vom Netzwerk:
geben. Wenn ihr mich fragt: Ich möchte nicht in seiner Haut stecken.«
    »Man kann ihn sich auch schwer in einer kaiserlichen Haut vorstellen!«, platzte einer der anderen Gaukler heraus, die inzwischen bei Mutter Gluck eingezogen waren. Polonius zog zu unserem Gelächter eine beleidigte Miene.
    Das Leben ging seinen gewohnten Gang. Manchmal wurde über Ahasvers Tod geredet, aber diese Gespräche versiegten rasch, wenn ich in der Nähe war. Gerüchte waren in Umlauf, die mich mit dem Ereignis in Verbindung brachten. Aber niemand schien Genaueres zu wissen. Allgemein glaubte man wohl an einen Unfall. Nur Sambo,so vermutete ich, wusste besser Bescheid, aber von ihm gab es nicht den Schatten eines Vorwurfs gegen mich. Und wie in stillschweigender Übereinkunft schnitten wir dieses Thema nicht an.
    Und wie empfand ich selbst? Natürlich tat es mir Leid um den Alten. Sein Ende, so grausam, wie es ihn ereilt hatte, ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen, wenn ich nur daran dachte. Dennoch konnte ich mir selbst nicht verhehlen, dass ich eine große Erleichterung spürte. Wenn es um ihn gegangen war, wenn er hinter allem gesteckt hatte, musste es dann nicht vorbei sein mit dem schrecklichen Spuk? Für kurze Zeit sah es so aus. Es waren, seitdem der Schwarze Hund den Tod gefunden hatte, keine bedrohlichen Gestalten mehr in der Herberge aufgetaucht. Ich genoss diese Tage. Was hinter mir lag, kam mir nun vor wie einer von meinen bösen Träumen.
    Und dennoch: Trotz alldem war ein Gefühl der Unrast in mir, das immer stärker wurde. Wo war Grifone? Würde ich ihn wiedersehen?
    »Dich sticht der Hafer!«, sagte Mutter Gluck. »Schnapp etwas frische Luft.« Ich fütterte die Hühner im Hof. Aber auch das beseitigte nicht diese Unruhe, zumal ich an der Tür zu Barbaros leerem Stall vorübermusste, der etwas Bedrückendes ausstrahlte. Jedes Mal, wenn ich ins Haus zurückkehrte, war die Rastlosigkeit stärker als zuvor. Und dann, am dritten oder vierten Tag, gab es eine Überraschung. Als ich aufstand und Mutter Gluck begegnete, spürte ich sofort, dass etwas Neues eingetreten war. Sie musterte mich mit kritischem Blick.
    »Du hast Besuch«, sagte sie.
    Ich fragte nicht, wer da sei. Ich wusste es sofort. Sie zeigte auf die Tür zu einer Kammer am Ende des Küchentraktes. Ich zögerte nur kurz, dann stieß ich die Tür auf. Da stand er am rückwärtigen Fenster, an jenem Fenster, durch das ich während meiner ersten Nacht in dieser Herberge hinaus- und hereingeklettert war und an dem mich Mutter Gluck am Kragen erwischt hatte. Er drehte sich langsam um. Seine Hand – ich bemerkte es nebenbei – ruhte wiezufällig auf dem Dolch an seinem Gürtel, bevor sie beiläufig zum Griff des Fensters glitt.
    »Es riecht nach Frühling«, sagte er und öffnete die Luftklappe. »Aber dazu ist es noch zu früh. Es wird nicht dauern.« Jetzt erst sah er mich voll an.
    Wolfsaugen, dachte ich. Er hat Wolfsaugen. Das ist es! Wieso erkenne ich das erst jetzt? Und ehe ich überhaupt nachgedacht hatte, was ich jetzt sagen solle, ja ohne es richtig gewollt zu haben, hatte ich schon jene Fragen gestellt, die ich bei einem bisschen Überlegung bestimmt vermieden hätte: »Wo seid Ihr gewesen? Was habt Ihr getan?«
    Er schwieg, so dass ich die Fragen in meinem Kopf nachhallen hörte und mir auf die Lippen biss, ohne natürlich ein Wort zurückholen zu können. Närrin, die ich war!
    »Wir wollen es so halten«, sagte er ruhig. »Du stellst mir nicht solche Fragen, und ich sage dir keine Lügen. Ist dir das recht?«
    Ich musste schlucken. »Ihr sagt mir also gar nichts.«
    »Ich sage dir alles, was du wissen musst.«
    Ich nickte schweigend. Warum brachte ich es nicht fertig, ihm zu sagen, was ich davon hielt? Hatte ich Angst vor ihm? Hatte ich Angst, er werde sich abwenden?
    Ich fragte: »Also werde ich mit Euch gehen?«
    Er lächelte und sah dabei wie ein halbwegs umgänglicher Griesgram aus.
    »Morgen«, sagte er. »Morgen. Dann bist du wieder kräftig genug.«
    Mehr würde ich nicht erreichen.
    Erst jetzt bemerkte ich, dass er den linken Arm in einer Schlinge trug. Noch etwas, wonach ich vermutlich nicht fragen durfte.
    »Erzähle«, sagte er. »Der Alte ist also zur Hölle gefahren. Ohne ein tröstendes Wort?«
    Jetzt war es an mir, mich zugeknöpft zu geben. »Das kann nicht sein!«
    Er sah mich verwirrt an. »Was kann nicht sein?«
    »Das waren seine letzten Worte, die letzten, die ich gehört habe: ›Das kann nicht sein!‹»
    Es

Weitere Kostenlose Bücher