Tanz der Dämonen
so wie es einem Betrachter erscheint, der drüben auf der anderen Rheinseite steht …«
»Wie schön. Aber hat das etwas mit uns zu tun?«
Ich wusste genau, was er jetzt sagen würde, und da kam es auch schon: »Das wirst du bald erfahren.«
Wir betraten das Quentel’sche Haus durch eine stattliche Tür und befanden uns in einem weit verzweigten Raum, der von vielfacher Geschäftigkeit erfüllt war. Das Erste, was sich mir einprägte, war dieser Geruch, der alles umfing. Wie ich bald erfuhr, kam er von der Druckfarbe. Der Durchblick zur Werkstatt war offen, in der ein Meister und mehrere Gesellen bei der Arbeit waren. Das interessierte mich! Während der Magus sich im Verkaufsraum mit den Kontoragenten unterhielt, näherte ich mich der Druckstube. Da stand die große Presse. Sie bestand aus einem massiven Holzrahmen, der zum Dielenboden und zur Balkendecke hin verstrebt war. In diesen Rahmen war eine bewegliche Vorrichtung eingefügt, die wie eine derbe hölzerne Spindel aussah. In diese wurden Hebeleingesteckt, und damit drückten mehrere Gesellen die Spindel kräftig zur Seite. Dadurch wurde die Druckplatte heftig auf das eingelegte Papier gepresst, und so kam der Abzug zustande. Das frisch bedruckte Blatt, noch glänzend von der feuchten Farbe, wurde zum Trocknen aufgehängt – nicht viel anders als Wäsche auf der Leine. Andere Mitarbeiter färbten gerade neue Holzplatten ein, die so geschnitten waren, dass die erhöht liegenden Teile ihrer Oberfläche, die das Messer des Holzschneiders stehen gelassen hatte, die Farbe für den Druck aufnahmen. Das Einfärben geschah mit getränkten Lederballen, an denen hölzerne Griffe befestigt waren – der Vorgang, bei dem der intensive Geruch der frischen Farbe frei wurde.
Was gerade in Arbeit war, schienen Abbildungsblätter für ein religiöses Buch zu sein. Ich wäre gerne noch näher getreten. Die Gesellen grinsten mir freundlich zu, aber der Meister heftete einen strengen Blick auf mich und brummte: »Gib Acht, Junge, dass dich die Farbe nicht beschmiert!« Was er eigentlich sagen wollte war: »Halte Abstand, wir brauchen keinen, der hier Maulaffen feilhält.« Jedenfalls ging ich nicht weiter, sondern ließ meinen Blick lieber anderswo schweifen, im Raum nebenan. Dort arbeiteten mehrere Männer, Setzer genannt, an schrägen Pulten, die in viele unterschiedlich große Fächer eingeteilt waren. In den Fächern lagen Druckstöcke für einzelne Buchstaben. Die Setzer fügten diese Lettern auf gerillten Holzleisten zusammen; Buchstabe für Buchstabe – ein Wort; Wort für Wort – eine Zeile. Meister Gutenbergs grandiose Erfindung!
Auch hier hätte ich gerne länger zugesehen, aber jetzt rief mich der Magus. Er hatte es erreicht, den Verleger selbst zu sprechen. Herr Quentel wirkte jünger, als ich erwartet hatte; sommersprossiges Gesicht, sandfarbenes Haar, zurückhaltend, aber zuvorkommend. Er streifte mich mit jenem zweifelnden Blick, den ich inzwischen von manchen Leuten gewöhnt war, nämlich solchen, die nicht recht wussten, wie sie mich einordnen sollten, und sich dadurch irritiert fühlten. Er beschloss nach kurzem Zögern, michin das Gespräch einzubeziehen. Der Magus, sein Kunde, wünschte dies; Quentels Umgangston blieb ungekünstelt höflich.
»Das Werk ist zum Ruhm der Stadt geschaffen worden – und natürlich zur höheren Ehre Gottes …« Damit fuhr er mit seinen Erklärungen fort. »Es ist ein Stück von ungewöhnlicher Größe und setzt sich, wie Ihr leicht erkennen könnt, aus zahlreichen einzelnen Blättern zusammen.« Er wies auf einige Beispiele unterschiedlicher Bildmotive, die auf einem Tisch ausgebreitet waren. »Meister Anton hat sein ganzes Können in diese Darstellung gelegt, was jedoch keineswegs heißen soll, dass ich den Text geringer bewerte!«
»Hermann Buschius, nicht wahr?«, warf der Magus ein. »Er ist meinem Auftraggeber nicht unbekannt.« Offenbar hatte er einen reichen, mächtigen und kunstsinnigen Interessenten vorgeschoben, der ihn beauftragt habe, sich diese Arbeit für ihn anzusehen, dessen Name jedoch – da konnte ich wetten! – ein Geheimnis bleiben müsse. Das alles erinnerte mich nicht wenig an Ahasvers gerissene Methoden. Leise übersetzte der Magus: »Der Huld der kaiserlichen und königlichen Majestäten und der übrigen Fürsten ehrerbietig gewidmet … sowie für den überaus weisen Rat der Stadt …« War da nicht ein leiser Spott in seiner Stimme?
Quentel nickte grüblerisch. Wahrscheinlich dachte er
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