Tanz der Dämonen
betrachten. Da tauchte ich in ein bestürzendes Dämonenreich: Unwirkliche Landschaften und erschreckende Gestalten füllten diese Welt, phantastische Städte standen in Flammen, unheimliche Wesen versammelten sich zu düsteren Zeremonien, und furchterregende Vögel nisteten in kahlen Bäumen. Da gab es Bettler und Galgenbrüder, aber auch behäbige Bürger mit feisten Gesichtern, dicken Bäuchen und prallen Geldkatzen, Soldaten und ihre Opfer, Schlachtfelder und Hinrichtungen, entstellte Körper und verzerrte Mienen. Noch grausiger, wenn auch gespenstisch faszinierend, waren zahlreiche Darstellungen von unglaublichen Mischfiguren: die Körper von Kröten und Ratten, Käfern und Spinnen, immer wieder mit menschlichen Gesichtern oder Gliedmaßen und verbunden mit Gegenständen wie Rüstungen oder Waffen. Diese höllischen Gestalten waren – ihrer abstoßenden Hässlichkeit zum Trotz – reich mit Putz und Geschmeide verziert oder auch mit prächtigen Einzelheiten wie bunten Vogelfedern oder schillernden Schmetterlingsflügeln geschmückt. So trugen diese zwiespältigen Erscheinungen eine eigenartige Schönheit zur Schau. Ich konnte den Blick nicht lösen: Ein Dämon sperrte den Rachen auf, eine funkelnde Echsengestalt trug eine Fahne, ein Fisch flog am Himmel, und ein Schwein im Gewand einer Nonne spielte Harfe.
»Gewagte Dinge«, sagte der Magus.
»Dies und das«, sagte der Maler. »Nur Kritzeleien ohne Bedeutung. Stört es Euch?«
»Seid unbesorgt«, sagte der Magus. »Ich bin nicht von der Inquisition. Aber es ist so, dass ich etwas ganz Bestimmtes suche.«
»Was sollte das sein?«
»Ich meine die Zeichnungen, die Ihr für die Stadtansicht von Meister Anton gemacht habt.«
»Ach, das.« Der Künstler blickte misstrauisch, ja ablehnend drein. »Das hat Ärger gegeben …«
»Ein Zerwürfnis. Ich weiß. Man redet darüber. Aber das ist mir gleich. Habt Ihr noch etwas davon? Es soll Euer Schaden nicht sein.«
»Wie viel?«
Der Magus nannte eine Summe, die jedenfalls für ein paar Flaschen Fusel reichen würde. Der Maler knurrte überrascht und begann im Durcheinander seiner Papiere herumzuwühlen.
»So was sucht Ihr? Das oder das?«
»Schon besser«, sagte der Magus. »Habt Ihr mehr davon?«
»Erst das Geld.«
»Hier erst mal die Hälfte.«
»Seht das!«
Der Maler beobachtete seinen Kunden mit wachsamen Augen. Wahrscheinlich überlegte er, wie viel Geld er insgesamt herausschlagen könne, wenn er es geschickt anstellte.
»Das hier …«, sagte der Magus plötzlich und zog mich zu sich heran. »Ha! Gib Acht, um das hier geht es. Schau genau hin. Da ist der Turm. Und da … Oh, ja! Habe ich es doch gedacht …«
Natürlich verstand ich nicht, was er meinte. Da waren Einzelheiten eines Hauses. Mag sein, dass es das Haus mit dem Löwen war, wie der Magus zu glauben schien. Aber was bedeutete das?
Der Zeichner hatte die Skizze offenbar erneut verwendet und auf die leere Himmelsfläche in anderer Technik etwas hinzugezeichnet: ein Heer gräulicher Dämonen. Es waren die Gestalten eines Albtraums. Sie bedrängten sich und kämpften in den Lüften. Oder war es ein grotesker Tanz? Es hatte den Anschein, als seien sie alle unter dem Dach dieses Hauses hervorgekrochen.
Der Magus hingegen schien etwas anderes interessant zu finden.
»Da ist es also …«, sagte er, ohne den Maler noch zu beachten. »Das Fenster.«
»Ich sehe nichts«, stammelte ich.
»Eben«, gab er zurück. »Komm mit mir hinaus.«
»Mein Blatt!«, rief der Maler.
»Es gefällt mir. Verkauft Ihr es?« Der Künstler verlangte eine stattliche Summe, größer als alle zuvor. Ohne Widerspruch erhielt er das Geld.
Als wir das Haus verlassen hatten, sah der Magus mich bedeutungsvoll an.
»Hast du jetzt begriffen, um was es geht?«
Ich schüttelte den Kopf.
Er knurrte ärgerlich.
»Die Dämonen …?«, sagte ich.
»Unsinn! Hast du es denn nicht bemerkt?«
»Nein …«
»Das Haus war auf beiden Darstellungen zu sehen! Einmal als Zeichnung und einmal auf dem fertigen gedruckten Holzschnitt bei Quentel.«
»Ja. Und?«
»Aber mit einem Unterschied!«
»Das Fenster?«
»Ja, das ist es. Du hast es also doch gesehen!«
»Aber …«
»Denk nach! Es ist auf der Zeichnung nicht da, also vor einem Jahr oder höchstens zweien. Die Nachbarn von Arndt sind überzeugt, dass der alte Turm, an den das Haus angebaut ist, seit langer Zeit zu nichts anderem dient, als Abfälle hineinzustopfen. Das haben mir alle gesagt. Ich habe nämlich
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