Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
Vom Netzwerk:
wegen. Da konnte ich gleich zu La Lupa gehen …
    Zu La Lupa? Wenn ich es recht überlegte, zog es mich am stärksten zu ihr. Aber gerade dort würde ich über kurz oder lang Grifone wieder begegnen … meinem Vater, den so zu nennen mir nach wie vor schwer fiel. Und noch immer wusste ich nicht, was ich von ihm halten sollte. Weniger als je zuvor! Dennoch hatte ich begonnen, mein Verhältnis zu ihm neu zu bedenken. Tat ich ihm etwa Unrecht? Ich hatte den Pfeil entdeckt, und es war gewesen wie ein Schlag vor den Kopf! Alles Misstrauen und alle Ängste loderten empor. Verraten und betrogen! Aber war es denn so? War es denn ganz sicher, dass er auf mich geschossen hatte? Hatte er gewusst, wer ich war? Und hatte er mir nicht mehrfach das Leben gerettet? Davon zweimal nach dem Anschlag … Außerdem hatte er sichinzwischen zu mir bekannt, und ich hatte Seiten seines Wesens entdeckt, die ihn mir deutlich näher brachten. Nein: Es ging nicht an, dass ich einfach so davonlief. Ich musste mit ihm reden.
    Also zurück zu La Lupa – Grifones wegen. Ich hatte Fragen an ihn und konnte ihm nicht für alle Zukunft aus dem Wege gehen.
     
    Die Tür wurde von einer Dienerin geöffnet, die mich kannte. Sie zögerte nicht, mich einzulassen, obwohl ich wieder einmal recht abgerissen aussah. Auch brauchte ich nicht lange zu warten, bis ich der Herrin des Hauses gegenüberstand. Sie war in edle Stoffe gekleidet und trug Juwelen, die sicher ein Vermögen wert waren.
    »Also du«, sagte sie. »Wie schön, dass du uns nicht ganz den Rücken kehrst!« Das klang ganz eindeutig nach Vorwurf, und damit war das Problem schon zur Hälfte überstanden. Es war mit ihr wie einst mit meiner Mutter: Wenn sie mich wegen irgendeiner Missetat schalt, hatte sie mir bereits vergeben. Wirklich schlimm war es nur, wenn sie nicht mit mir sprach. Ich hatte das Gefühl, La Lupa sei im Grunde erleichtert, mich wiederzusehen.
    »Ich habe mir Sorgen gemacht«, fuhr sie fort.
    »Verzeiht bitte«, sagte ich. »Aber ich hatte … zwingende Gründe.«
    »Dergleichen höre ich oft, und nicht zuletzt von deinem Vater!«
    »Ist er hier?«
    »Nein. Und wie üblich weiß niemand, wie lange er fortbleiben wird. Der Kaiser, denke ich, hat ihn gerufen. Da lässt sich nicht absehen, was daraus wird. Bleib bei mir, und warte auf ihn, ich würde mich freuen. Du kennst ja das Zimmer, das wir für dich hergerichtet haben. Ich meinerseits habe einen Gast heute Abend, um den ich mich kümmern muss. Die Küche wirst du wohl finden, falls du Hunger hast … Ach, Gott – was für eine Frage!«
     
    Ich schlief in dieser Nacht schließlich doch in einem anderen Zimmer als zuvor. Darin war von Grifones Gepäck nichts zu sehen. Ich hatte es so gewünscht, und La Lupa hatte nichts eingewandt.
    Als ich mich in diesem Raum näher umsah, entdeckte ich an derWand ein gedrucktes Bild, das mich seltsam berührte, weil es mir schon seit langer Zeit vertraut war. Das heißt, ich kannte das Motiv oder jedenfalls ein ganz ähnliches. Meine Mutter, die ganz in Träumen und Erinnerungen befangen gewesen war, hatte ein solches Blatt in einer Mappe aufbewahrt, in der noch mancherlei andere Abbildungen steckten. Wie oft hatte ich mich damit beschäftigt! Einige Bilder hatten Dinge gezeigt, die mir Angst machten oder die ich nicht verstand. Dieses aber hatte mir stets neues Vergnügen bereitet. Es zeigte eine seltsame Szene: Ein wandernder Händler hat sich am Wegrand niedergelegt und ist in Schlaf gefallen. Da sind die wilden Affen aus dem Wald gekommen und haben seine Kiepe ausgeleert. All die Dinge, die er in den Dörfern feilzubieten hatte, allerhand Gerätschaften und mancherlei Tand, sind so in die kleinen Hände des mutwilligen Völkchens geraten. Eins blickt in den Spiegel und schneidet Grimassen, ein anderes spielt mit dem Messer, wieder andere probieren Strümpfe oder Halsketten, eins trinkt dem Hausierer die Flasche leer, eins setzt sich den Bügel einer Klemmbrille auf die Nase und müht sich, gelehrt in ein Buch zu schauen. Ein ganzes Trüppchen hat Trommeln und Flöten ergattert und führt einen Rundtanz auf, wie es die Bauern bei ihren Hochzeitsfesten tun. Wie kann der Mann nur schlafen bei solchem Lärm? Und da liegen zwei Äffchen in schamloser Umarmung. Und dort pisst eines boshaft in die herabgefallene Mütze des Händlers. Es herrscht die Narrheit. Verkehrte Welt!
    Wie habe ich dieses Bild geliebt – als ich ein Kind war!
     
    Es klopfte an die Tür. Heller Morgen! La Lupas Stimme

Weitere Kostenlose Bücher