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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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war zu hören. Sie klang aufgeregt, wie mir später bewusst wurde. Im Augenblick selbst war ich so sehr in Schlaftrunkenheit verwickelt, dass ich es gar nicht bemerkte, und dennoch muss ich sogleich gespürt haben, dass etwas Ungewöhnliches vorging.
    »Kind, bist du wach?«, rief sie. »Du musst herunterkommen. Es ist ein Abgesandter gekommen, der dich sprechen will.«
    »Ein – Abgesandter?«
    »Kleide dich an, und eile dich! Er kommt von einem sehr hohen Herren …«
    »Ich kenne keinen hohen Herren«, sagte ich abweisend, öffnete aber die Tür einen Spalt weit. Sie schob sich herein und betrachtete mich, wie ich da im Hemd stand.
    »Du musst dich ankleiden. Wie eine Dame musst du aussehen!«
    »Eine Dame? Verdammter Mist! Meine Sachen …«
    »Nicht deine Sachen. Versteh doch, Miseria ! Nimm das hier.«
    Sie hatte eine Art Morgenmantel mitgebracht, der wie eine Samtrobe aussah.
    »Damit wird es gehen«, sagte sie und half mir hinein. »Binde die Schärpe drum. So wird er vorlieb nehmen müssen. Kämm dir das Haar!«
    »Was soll das alles?«
    Sie beugte sich vor und flüsterte mir ins Ohr: »Es ist der Kaiser, der ihn schickt. Kein anderer. Ich weiß es!«
    Ich musste laut lachen. Jetzt wurde mir alles klar: ein Scherz! Wie albern! War denn heute Narrentag?
    »Fast wäre ich Euch auf den Leim gegangen!«
    »Hör auf!«, rief sie und gab mir einen leichten Backenstreich. »Es ist die Wahrheit!«
    Nun verstand ich gar nichts mehr und ließ mich widerstrebend die Treppe hinunterziehen.
    Im großen Raum, der keine Spur mehr von dem ausgelassenen Treiben sehen ließ, das hier vermutlich bei Nacht stattgefunden hatte, erwartete mich ein Mann in einer Kleidung, die wohl eines Höflings würdig war: kostbares Tuch, Pelz und goldene Tressen. Modisch und gespreizt. Als ich eintrat, erhob er sich von einem Sessel und deutete eine Verbeugung an. Befangen in meinem ungewohnten Gewand und verwirrt durch die aberwitzige Situation, brachte ich keinen Laut hervor.
    »Fräulein van der Weyden?«, fragte er förmlich. La Lupa, die hinter mir stand, stupste mich in den Rücken. Ich nickte.
    »Ich habe ein Schreiben für Euch.«
    Mit zögernder Hand nahm ich den Brief mit dem imponierenden Siegel entgegen, und während ich es ungeschickt aufbrach und das Schreiben auseinander faltete, hallte es in meinen Gedanken: Was soll all dies? Ich träume. Das ist völliger Unsinn!
    Der Abgesandte blieb indessen unbewegt und gestattete sich nicht einmal den Anflug eines Erstaunens, obwohl das bei meinem Anblick wohl berechtigt gewesen wäre.
    Ich las den Brief. Förmlich und trocken: Ein Höfling aus der Kanzlei des Kaisers lud mich – mit allem Respekt, der vermutlich in einem solchen Fall üblich war – ganz schlicht zu einer Unterredung mit seinem hohen Herrn. Im Namen Seiner Heiligen Majestät! An diesem Nachmittag sollte es sein, ohne formelle Zeremonie. Es schien, dass der Kaiser einfach mit mir sprechen wolle.
    Was für ein Unfug!
    Noch einmal überwältigte mich die Unwahrscheinlichkeit des Vorgangs, und ich wäre fast vor Lachen herausgeplatzt.
    Wiederum: Das alles wirkte doch nicht so recht wie ein Scherz.
    Aber was war es dann? Vielleicht eine Falle! Wusste dieser Mann, wen er vor sich hatte? Wer wollte meiner habhaft werden? Konnte man ein solches Siegel nicht fälschen, und wäre es auch das vornehmste der Welt? Zumindest ich ahnungsloses Gänschen würde darauf hereinfallen!
    Andererseits: Hätte es solcher Winkelzüge überhaupt bedurft? Man hätte mich doch auf der Straße einfangen oder offiziell festnehmen können, wenn es nur darum gegangen wäre, dass der Kaiser … Ach, nun unterstellte ich schon selbst, dass er es war, von dem der Brief kam!
    Im Märchen pflegt die Gänsemagd ganz selbstverständlich mit »Ja!« zu antworten, ich jedoch verstand gar nichts und wusste nichts zu erwidern.
    »Das Fräulein ist aufs höchste geehrt und wird bereit sein«, hörte ich La Lupa sagen. Der Abgesandte dankte salbungsvoll und verabschiedete sich mit steifer Höflichkeit. Er werde kurz nach dem Mittagsläuten wieder an dieser Stelle erscheinen, um michabzuholen. Ich solle bitte geruhen, mich auf eine Kutschfahrt vorzubereiten.
    Kutschfahrt wohin? Weilte der Kaiser denn nicht in Aachen oder gar in Lüttich, wie man hörte? Ich brachte es aber nicht zuwege, diese Frage zu stellen.
    Noch ein paar gedrechselte Floskeln, eine tiefe Verbeugung, und er war aus dem Haus. Wenn dieser Höfling meine Hilflosigkeit bemerkt hatte, so hatte er

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