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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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anstimmen: »Heut ist es dein, und morgen ist es mein …«Sofort erhoben einige der Anwesenden ein unwilliges Zischen, und rasch verstummte das Singen. Ich nahm mir vor, irgendwann jemanden, dem ich trauen konnte, zu fragen, was es denn auf sich habe mit Anno 25. Aber wem konnte ich trauen?
     
    Es wurde jetzt nur noch geflüstert. Die behagliche Stimmung vom Beginn des Abends war endgültig verdorben. Einer der Fuhrknechte, die ich beim Wagen mit dem Leichnam gesehen hatte, kam herein und suchte nach einem Platz für die Nacht. Sein Blick fiel auf mich.
    »He, Bürschchen«, knurrte er. »Verschwinde da augenblicklich! Rück rüber!« Dabei zielte er mit einem kräftigen Knüppel auf mich. Ich erschrak, und obwohl Wut in mir aufwallte, so dass mir die Tränen in die Augen stiegen, zog ich es vor, mich zu fügen. Ich räumte den Platz am Feuer. Keiner fand es angebracht, mir zu helfen. Nur eine schwache Stimme in meinem Rücken murmelte: »Komm hierher! Wir rücken zur Seite, und so nah bei den Pferden ist es auch schön warm.«
    Alle, die da meinen, ich sei ein rotzfreches Ding gewesen in jenen Tagen, hätten mich in diesem Augenblick sehen sollen! Ich war eingeschüchtert und nahm das freundliche Angebot gerne an.
    Ich kauerte mich neben den Verschlag für die Pferde. Ein Greisenpaar in schäbigen Pilgerkutten nahm mich in seine Obhut, Männlein und Weiblein mit heiteren Faltengesichtern. Sie hielten sich eng umschlungen und wiegten sich leicht hin und her. Die Frau lächelte mir schalkhaft zu, kramte etwas aus einer Leinentasche und hielt es mir hin. »Das wirst du mögen«, flüsterte sie, »genau wie unsere Enkel. Getrocknete Pflaumen, nimm nur.«
    Es dauerte nicht lange, bis alle sich schlafen legten. In dieser Nacht träumte ich, ich sei zwischen großen, schrecklichen Tieren gefangen, die kämpften miteinander und stießen grausige Schreie aus. Ich fuhr auf: Was ich geträumt hatte, war Wirklichkeit! Zwei Pferde in dem Verschlag neben mir wieherten schrill und keilten sich mit den Hufen, dass die Tenne bebte. Schaum flog von ihrenMäulern. Ich sah ihre rollenden Augen – schreckensvoll leuchtend im Feuerschein.
    Jemand hatte mich zur Seite gezogen, noch ehe ich richtig wach war.
    »So bringt sie doch auseinander!«, rief einer der Männer. Knechte stürzten sich auf die Tiere und schlugen mit Besen und Stangen auf sie ein, bis sie getrennt waren. Einiges Schnauben und Grunzen noch. Dann war Ruhe, und ich versuchte wieder einzuschlafen. Seltsam, wie das Geschehen in meinen Traum gedrungen war! Ob das ein Omen sein konnte? Am Morgen wartete ich mit vielen anderen auf das Fährboot über den Strom. Wo ich abends die Umrisse der Stadt gegen den hellen Himmel gesehen hatte, lagerte nun dichter Nebel. Mit unheilichem Glucksen glitt das schwarze Wasser vorüber. Dann und wann trieben Eisschollen dahin. Es war bitterlich kalt. Einige der Pilger waren sehr aufgeregt und redeten immerfort von dem, was sie an ihrem Ziel zu sehen erwarteten. Andere Mitreisende wirkten still, und einige schienen Furcht zu spüren. Zu diesen gehörte ich. Die düstere Flut unter den Nebelschwaden ließ mich an den Fluss zum Jenseits denken, Styx genannt, von dem mir Vater Sebastian erzählt hatte.
    Da tauchte ein großer Kahn aus dem Nebel auf, der so flach gebaut war, dass Wagen auf ihm übergesetzt werden konnten. Ich gehörte zu den Letzten, die auf die Planken gingen, zahlte mein Fährgeld und suchte mir einen Platz in der Nähe des Steuerruders. Die Schiffsknechte waren schlechter Laune und herrschten die Fahrgäste willkürlich an. Auch versuchten sie zusätzliches Trinkgeld zu erpressen. Ich hatte dafür nichts übrig und schüttelte den Kopf. Dafür erhielt ich einen schmerzhaften Knuff.
    Dann glitt der Kahn auf den Fluss hinaus. Mir schien, dass er viel zu schwer beladen war, und die Fährleute waren sich uneins über die Richtung im Nebel. Wir trieben lange im Ungewissen dahin. Schließlich aber hörte ich Geräusche voraus. Es wurde gehämmert, und dann prallte etwas Schweres auf hölzerne Bohlen. Ein Mann rief etwas, und mehrere andere gaben Antwort. Schiffsrümpfe tratenaus dem Nebel hervor und große eingerammte Balken, um die das Wasser strudelte. Unsere Schiffsknechte fluchten ausgiebig, während sie den Kahn ans Ufer brachten, doch ich achtete nicht mehr darauf. Denn der Nebel riss auf, und in der Sonne leuchteten die Mauern und Türme von Köln. Glänzende Dächer stiegen übereinander empor, Kirchen erhoben sich wie

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