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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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Berge, gewaltige Türme und zierliche Türmchen ragten in den Himmel. Ein Anblick, der mich überwältigte. War es doch das erste Mal, dass ich eine wirklich große Stadt zu Gesicht bekam!
    Wenig später hatte ich die Kontrollen am Tor hinter mir, und ich bahnte mir einen Weg durch das Gewimmel von Menschen und Fuhrwerken auf der schlammigen Uferstraße. Dann tauchte ich in ein Labyrinth von engen Gassen, das sich hinter der Hafenpforte öffnete.
    Ich bin am Ziel! – so dachte ich jedenfalls.
     
     
     

EIN G ELDBEUTEL
    Was für ein Treiben! Weil in Köln so bedeutende Ereignisse bevorstanden, waren offenbar viel mehr Menschen in der Stadt als sonst. Sie drängten durch die engen, schmutzigen Gassen, in denen sich der Duft von frisch gebackenem Brot mit dem Gestank von Unrat vermischte. Die Menge schob mich weiter, bis ich auf einen großen Platz gelangte, wo gerade Markt gehalten wurde: Händler und Käufer redeten laut durcheinander, Waren wurden angepriesen, Fleisch, Brot und Gemüse, Salzfisch in Fässern, Wein, Öl und Essig; ein Stück weiter wurden unter hölzernen Dächern gedruckte Bücher und gedruckte Bilder feilgeboten, auch Kleidung, Stoffe, Schuhe und Gürtel, Gläser und Töpfe, Trödelkram – wahrhaft alles vom Tintenfass bis zur Kinderrassel. Rauch stieg über Holzkohlefeuern empor. Bei den Garküchen hing der Geruch von brutzelndem Fleisch und Zwiebeln in der Luft. Da regte sich mein Hunger.
    Ich nahm eine kleine Münze aus meinem Geldbeutel – es war nicht mehr viel darin – und kaufte mir eine knusprige Brezel. Kaum hatte ich sie zur Hälfte verzehrt, da bettelten ein paar ärmlich gekleidete Kinder um ein paar Krümel; ich gab einem ein Stückchen, dann einem anderen, und im Nu war die Brezel aufgegessen. Dennoch: Mein Mut war wieder da!
    Männer und Frauen strömten vorüber, von edlem und von einfachem Stand, und manchmal jemand in fremdländischer Tracht.
    Ein gravitätischer Bürger mit Pelzhut stieß mich zur Seite. »Kannst du nicht aufpassen?«, herrschte er mich an.
    »Pass selber auf, du Pfeffersack!«, entfuhr es mir, und, ohne lang zu überlegen, ließ ich noch ein paar meiner sorgsam gelernten Schimpfwörter folgen.
    »Frecher Rotzbengel!«, schrie der Mann und wollte mich schlagen. Da war ich ihm schon entwischt.
    Bettler heischten allenthalben nach Almosen und schienen keine Scheu zu kennen. Nur wenn die bunt gekleideten Wachen vorüberkamen, duckten sie sich und hielten still.
    Ich nahm aufs Geratewohl einen Weg, der über schlüpfrige Treppenstufen aufwärts führte. Da warf ein mächtiger Turm, der mit gemeißelten Figuren verziert war, seinen Schatten über mich. Der gehörte zum Rathaus.
    Um mich her entstand Bewegung. Rufe pflanzten sich fort. Die Leute hasteten plötzlich alle in eine Richtung davon.
    »Was ist los?«, fragte ein Bürger, der aus seiner Tür trat.
    »Der Kaiser reitet durch die Stadt«, antwortete ein Mann mit rotem Gesicht.
    »Nein«, rief ein anderer, »der Erzbischof gibt Freibier aus!« Wohl ein Spaßvogel.
    Der Bürger schüttelte unwillig den Kopf.
    Da behauptete ein Dritter: »Unsinn, sie führen einen Mörder zum Richtplatz. Lasst euch das nicht entgehen!«
    Alles wirbelte mir im Kopf, und ich ließ mich von der Menge mitreißen. An einer Hausecke jedoch, die mit einer steinernen Marienfigur geschmückt war, blieb ich stehen wie gebannt. Vor mir öffnete sich ein Durchblick, und über den Häusern sah ich den Dom emporsteigen. Die Sonne glänzte auf seinen hohen Dächern, und das vergoldete Chorkreuz blinkte. Vor den schmalen Bahnen der Fenster erhob sich ein Wald von spitzen Türmchen mit einem Gespinst schlanker Bögen und Streben. Das alles sollte aus Stein und Glas und von Menschen gemacht sein? Der Gedanke erschien mir so unglaublich, dass ich vor Staunen stumm war. Etwas weiter entfernt ragte links ein mächtiger Turm halb fertig empor, und in der Höhe erhob sich ein großer hölzerner Kran, mit dem wohl die Steine und der Mörtel für den Weiterbau befördert wurden.
    Während ich noch nach oben starrte, wurde ich bald nach rechts, bald nach links gestoßen. Schließlich rannte einer vorbei,der mir den Ellenbogen in die Seite rammte und mich fast zu Boden warf.
    »Gottloser Rüpel!«, fuhr ihn ein Mann an, der ebenfalls vorüber wollte, nun aber innehielt. Er fing mich auf.
    »Nimm’s nicht schwer, Junge«, fügte er begütigend hinzu. »Das war einfach ein ungehobelter Kerl.«
    Ich dankte und lehnte mich an eine Mauer. Welche Unrast!

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