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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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dass man das Gesicht nicht sah. Dennoch hatte ich wenig Zweifel: Es war der Leichnam des Ermordeten vom Wirtshaus an der Straße.
     
    Nahe beim Kloster gab es eine Herberge, wo für wenig Geld ein Stall mit Schuppen zur Übernachtung offen stand. Es wurde heiße Suppe ausgegeben, ebenfalls für geringe Bezahlung. Dafür reichte die magere Barschaft in meinem Geldbeutel aus und auch noch für das Fährgeld am Morgen, wie ich hoffte. So ging es mir gut an diesem Abend. Ich fand einen Schlafplatz, obwohl an diesem Tag gewiss viel mehr Herbergssuchende als sonst beisammen waren. Der Schiffsverkehr war wegen des Eisgangs nämlich bereits am Nachmittag eingestellt worden. Viele hatten das letzte Boot nicht mehr erreicht.
    Natürlich weilten hier nur die ärmeren Gäste, die Pilger und Wanderer, Schausteller, Tagediebe und einfaches Volk. Aber mir war es recht hier.
    Ich war satt und hatte es warm am Feuer und hörte zu, was sich die Leute um mich herum zu erzählen hatten. Es waren viele am Schauplatz des Mordes vorübergekommen oder hatten von der Tatgehört. So nahm es nicht wunder, dass sie darüber redeten und allerlei Vermutungen anstellten.
    Jemand behauptete, das Opfer habe vor dem Tod noch gesprochen. »Warnt unseren Kaiser, hat er geschrien!«, wollte ein Mann vernommen haben, in dem ich den Bader mit dem Blechbecken wiedererkannte. Und er fügte bedeutsam hinzu: »Drei Maskierte sind davongestürzt. Ich konnte sie nicht aufhalten. Einer hatte eine Narbe im Gesicht.«
    »Halt lieber den Mund«, zischte sein Nachbar. »Der Schwarze Hund hat seine Spione überall. Willst du sie aufmerksam machen? Hol sie uns nur nicht auf den Hals!«
    Wieder dieser Name. Er ließ mich frösteln. Gleichzeitig ging mir durch den Kopf: Wenn diese Männer maskiert gewesen wären, wie hätte man die Narbe sehen können? Aber sogleich schalt ich mich selbst. Wusste ich denn nicht, dass es in Wirklichkeit ganz anders gewesen war?
    Da waren auch die Scholaren, die ich am Schauplatz des Verbrechens gesehen hatte. Einer von ihnen gab einen Schwank nach dem anderen zum Besten, die meisten mit allerlei lustigen Wendungen, so dass sich die Zuhörer vor Lachen auf die Schenkel schlugen, ihm reichlich zu trinken anboten und immer noch mehr verlangten. Zudem würde er am Ende wohl um eine Spende für einen armen Studenten bitten, also für sich selbst. Aber seine Geschichten haben mir gefallen. Ich erinnere mich gut an eine davon:
    »Kennt ihr die Fabel vom Löwen, vom Esel und vom Fuchs?«, begann der Scholar.
    »Nein, nein. Raus damit, erzähl schon …!«
    »Also hört zu: Der Löwe, der Esel und der Fuchs gehen auf die Jagd. Sie erlegen einen Hirsch. ›Teile du die Beute‹, sagt der Löwe zum Esel. Der Esel gehorcht und trennt den Hirsch in drei gleiche Teile.
    ›Du unverschämter Kerl!‹, brüllt der Löwe und schlägt dem Esel die Pranke über den Kopf, dass diesem die Haut wie eine blutige Kappe herunterhängt.
    ›Teile du!‹, herrscht der Löwe jetzt den Fuchs an.
    Der Fuchs überlegt kurz, schiebt dann die drei Teile wieder zusammen und gibt alles dem Löwen.
    ›Wer hat dich gelehrt, auf diese Weise zu teilen?‹, fragt ihn der Löwe.
    ›Der Lehrmeister dort mit dem roten Barett‹, sagt der Fuchs.«
    Ich hätte gedacht, dass den Zuhörern das Lachen in der Kehle stecken bleiben müsse, aber die meisten freuten sich unbändig an der Geschichte – wie an allen anderen.
    Dennoch sah ich ein paar bedenkliche Gesichter.
    »Ich hab dich wohl verstanden«, sagte ein älterer Mann. »Aber du solltest vorsichtig sein! Mit den Herren treibt man besser keinen Spott.«
    »Gerade jetzt, wo so viele von ihnen in der Stadt sind«, stimmte ein anderer tadelnd bei. Und ein dritter murmelte etwas von »verderblichen lutherischen Gedanken«.
    »Die Fabel ist vom alten Äsop«, verteidigte sich wachsam der Scholar.
    »Und von wem hast du sie?«, fragte der Mann, der Luther erwähnt hatte.
    »Die lutherische Pest hat auch ihr Gutes«, meinte ein rundlicher Händler gut gelaunt. »Wären die Frankfurter nicht zu diesem Lockvogel übergelaufen, dann kämen all die großen Herren jetzt nicht zur Königswahl nach Köln. Ist euch das klar?«
    Da wurden alle unterbrochen durch eine dünne Stimme, die trotz ihrer Brüchigkeit eine erstaunliche Kraft besaß: »Es ist lästerlich, dass ihr so redet. Der Herr wird euch strafen! Keiner denkt an das Gericht, dabei steht es dicht bevor!« Es war ein seltsamer, ja unheimlicher Mann. Er war schwarz gekleidet und

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