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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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hatte ein weißes, teigiges Gesicht. Er blickte starr und beinahe teilnahmslos, aber ihm stand der Schweiß auf der Stirn. Insgeheim nannte ich ihn: das Mondgesicht.
    Was er sagte, ließ mich schaudern: »Wisst ihr nicht, dass noch dieses Jahr ein Stern über euch kommen wird, dem kein anderergleicht? Und wenn er erscheint, werden eure sündigen Seelen zittern!« Er verfiel in eine Art Singsang, der so unnatürlich klang, als spreche eine fremde Zunge aus seinem Mund.
    »Da sehe ich diesen Stern«, winselte er, »der vom Himmel auf die Erde gefallen ist, oh, und mit ihm wird der Schlüssel zum Abgrund gegeben! Rauch steigt empor wie der Rauch von einem mächtigen Ofen, und aus dem Rauch verbreiten sich Heuschrecken über die ganze Erde, und es ist ihnen Kraft verliehen, wie die Skorpione sie besitzen. Sie gleichen Rossen, die für den Kampf gerüstet sind, auf den Köpfen tragen sie goldene Kränze, und ihre Gesichter gleichen Menschengesichtern. Sie haben Haare wie Frauenhaar, und ihre Zähne sind wie Löwenzähne. Sie haben Schwänze wie die Skorpione – und Stachel! Sie haben über sich den König der Engel des Abgrunds, dessen Name ist Abadon, und das heißt: der Verderber!« Er schwieg wie erschöpft, bevor er von neuem ansetzte: »In den alten Schriften könnt ihr alles finden über den großen Kampf der Dämonen, den Kampf, der da kommen wird am Ende der Zeiten – und, oh, das ist so nahe! Wie grauenvoll nahe! Da wird kommen der fünfzehnte Zweig der Türken und wird verwüsten Polen, Preußen und die Picardie und Brabant und Flandern … mit grausamer Kraft des Schwertes und mit Feuers Macht! Aber bei dem goldenen Apfel von Köln – denkt an die Weissagung des Merlin! –, bei dem goldenen Apfel von Köln, so heißt es da, wird der Übermütige erwürgt werden: die Schlacht von Köln. Und es wird sein kurz vor dem Ende der Tage …«
    Er sank auf seinen Sitz. Als er wieder aufstehen wollte, drückte ein rothaariger Mann ihn zurück. »Du solltest jetzt lieber schweigen, Gevatter«, schnarrte er. »Du hast genug gesagt, um allen Angst zu machen. Doch ich sage dir: Die Angst ist es, die euch verderben wird! Sie dient nur den Absichten der hohen Herren, versteht ihr?« Er blickte wild in die Runde, ein schmächtiger, aber sehniger Kerl mit dünnem Bart, vom Temperament eines Kampfhahns. »Da hat mir schon besser gefallen, was der Scholar uns zu bieten hatte«, fuhr er etwas versöhnlicher fort. Aber gleich wurde seine Stimmewieder scharf: »Ihr wisst doch alle, dass es wahr ist: Das Fürstenpack alleine ist an allem schuld. Und vielleicht noch die Pfaffen, weil sie ihnen zuarbeiten.«
    »Ja, die Pfaffen!«, schrie ein Mann, der wie ein Landstreicher aussah, dazwischen. Unter den Pilgern wurde ein unwilliges Gemurmel vernehmbar.
    Der rothaarige Redner ließ sich aber nicht beirren. Er rief: »Das spricht Thomas Müntzer, der für uns gestorben ist! Fürsten und Fürstendiener! Die Grundsuppe des Wuchers, der Dieberei und Räuberei sind unsere Herren und Fürsten. Oh, ja – alle wie sie da sind, versammelt zum Gebet und zum Schacher! Sie nehmen es von allen, uns Armen lassen sie nichts und treffen jeden, der aufbegehrt, mit ihrem Schwerte! Aber: Die Ursache des Aufruhrs wollen sie nicht abschaffen!«
    Die Zuhörer wurden unruhig, und einige forderten den Redner auf zu schweigen. Der aber fuhr fort: »Fürsten und Fürstendiener! Wie kann es da auf Dauer gut werden? So ich das sage, muss ich aufrührerisch sein, das ist wohl wahr! Hat es der Herrgott denn etwa so gewollt, wie es ist? Jeder von euch kann es singen: He! Als Adam grub und Eva spann, wer war denn da der Edelmann!« Damit ging er von einem zum anderen und stieß diesen und jenen an. Als er einem vierschrötigen, düster dreinschauenden Burschen eine Hand auf die Schulter legte, fuhr dieser plötzlich empor und schlug ihm die Faust ins Gesicht. Es gab einen hässlichen klatschenden Laut. Der Sprecher stürzte zu Boden und verstummte, die Hand vor den Mund gepresst, aus dem Blut tropfte. Der Blick des Redners hing verwirrt am Gesicht seines Gegenübers.
    »Das hast du davon«, murmelte der Vierschrötige. »Warum hältst du nicht dein Maul? Wohin führt es denn, wenn einer so redet!« Es folgte eine hilflose Geste. »Ich war dabei«, setzte er hinzu. »Anno 25 in Köln. Als so geredet wurde. Und mehr! Und hab geseh’n, was dann geschah … Dich habe ich nicht gesehen dabei.«
    Alle schwiegen. Nur im Hintergrund hörte man eine leise Stimme ein Lied

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