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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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»Rau, gib mir deinen Hut.«
    Er steckte die Kopfbedeckung auf seine Degenspitze und näherte sich seitwärts dem Fenster. Vorsichtig schob er ein Stück des Huts hinaus und bewegte den Arm leicht hin und her, so dass es von draußen erscheinen musste, als kauere da ein Mann, der hinausspähen wollte.
    Die schneebedeckten Dächer leuchteten im Mondlicht.
    »Nichts«, brummte Rau.
    »Wart ab!« Grifone schob den Hut weiter vor, als beuge sich die vorgetäuschte Gestalt hinaus.
    Peng! Der Hut wurde zu Boden gefetzt, ein Schuss hallte über die Dächer, und eine Kugel steckte in der Wand!
    »Jetzt wissen wir mehr«, sagte Grifone. »Sie sind nicht dumm!«
    »Mein Hut ist hin«, knurrte Rau. »Aber sie werden schon sehen, was sie davon haben!«
    Grifone nickte nachdenklich. »Es ist Eglof«, sagte er. »Ich bin fast sicher.«
    »Der Fehler liegt bei mir!« Das war Ahasvers Stimme aus dem Winkel der Sitzbank.
    »Wieso das?«
    Ahasver brummte etwas Unverständliches. Mir fiel auf, wie brüchig und müde seine Stimme klang. Er starrte vor sich hin, die Hände um das Buch gekrampft. Die Pistole des Magus lag unbeachtet auf dem Tisch. Grifone nahm sie beiläufig an sich. Dabei achtete er nicht weiter auf Ahasver und erteilte Anweisungen. »Kat, setz dich auch dort auf die Bank. Und bleibt vom Fenster weg!«
    »Aber ich …«
    »Keine Widerrede! Da bist du in Sicherheit! Rau, du bleibst hier, und passt auf! Lass keinen herein, und den da lass nicht hinaus.« Dabei deutete er auf Ahasver, der ihm nur einen düsteren Blick zurückgab. Grifone schien es nicht zu bemerken. »Ich hab einiges zu tun, damit wir einer Belagerung standhalten.«
    Damit verschwand er über die Treppe, und ich blieb bei Rau und Ahasver zurück, gekränkt und wütend.
    So ein Scheißkerl! Was glaubte er denn, wie er mit mir umgehenkönne? Hatte ich nicht ausreichend bewiesen, dass ich imstande war, selbst auf mich aufzupassen?
    Ich hätte ihn vors Schienbein treten mögen.
     
    In dieser Nacht wurde die Luft so kalt, dass ich in der Dachstube meinen Atem als Dampf sehen konnte. Ich hockte auf der Bank, die Jacke fest zugeknöpft, die Knie hochgezogen und die Arme eng darumgeschmiegt. Mein Platz war so gewählt, dass ich möglichst weit von Ahasver entfernt war. Schon bald begann mein Kopf vornüberzusinken. Es war so still, dass ich das Blut in meinen Ohren rauschen hörte. Alles verschwamm vor meinen Augen. Die Gedanken drifteten ins Zwischenreich von Wachsein und Traum. Wie lange war ich inzwischen auf den Beinen?
    Da drang plötzlich eine Stimme an mein Ohr, die mich aufschrecken ließ. Sofort war ich wieder hellwach. Es war Ahasver, der zu mir sprach, betont ruhig und so leise, dass Rau, der neben dem Fenster Wache stand, kaum etwas verstehen konnte.
    »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Ich will dir nichts Böses.«
    Ich antwortete nicht.
    »Du denkst vielleicht, wer tot ist, soll tot bleiben. Recht hast du. Aber ich bin nicht tot. Ich bin es nie gewesen …« Ein tonloses Lachen schüttelte seinen Körper.
    »Ich habe Euch stürzen sehen!«
    »Das war Theater.«
    »Und das Blut?«
    »Alte Bühnentäuschung. Man nimmt eine Blase mit Ochsenblut und schiebt sie sich unter das Hemd.«
    »Ihr habt Blut gespuckt!«
    »Geht auf dieselbe Art. Ein Beutel, in den Mund gesteckt und draufgebissen.«
    »Ich habe geschossen!«
    »Ach! Das Rohr war nur mit Pulver geladen!«
    Was sagte er da? Ich wollte etwas erwidern, aber die Wortestockten mir in der Kehle. Ich war sein willenloses Werkzeug gewesen! Und Sambo – er war mit im Komplott, denn er hatte die Waffe geladen!
    »Ihr habt mich mutwillig getäuscht!«, brachte ich schließlich heraus.
    »Dich auch. Gewiss. Das war unvermeidbar. Aber es ging mir um die anderen. Du hättest nicht überzeugend genug gewirkt, wenn ich dich eingeweiht hätte. Du hast keine Theatererfahrung. Du bist auch gar nicht gut im Lügen. Und – hättest du denn überhaupt mitgespielt?«
    »Unter dem Eis … Ihr seid unter dem Eis verschwunden. Der Eisgang! Wie konntet Ihr das überleben?«
    »Ich schwimme recht gut, seit je, und ich bin noch immer so stark wie ein Bulle, wenn es darauf ankommt!« Ein Hüsteln unterbrach ihn, und ich dachte: Ist es wirklich so weit her damit?
    »Aber wozu das alles?«
    »Ich hatte Dinge vor, die – hehe – nur ein Toter vollbringen kann.«
    Es machte mich zornig, ihn so reden zu hören. Ich war ihm auf den Leim gegangen wie alle andern. Das hatte er geschickt eingefädelt! Und warum? Darauf gab

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