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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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eine Streifwunde, die Sambo davongetragen hatte. Ich legte ihm einen Verband an, wie er selbst es mich gelehrt hatte.
    »Du wirst es überleben«, sagte ich.
    »Und er ?«, fragte der Hüne. »Was ist mit ihm?«
    Er meinte Ahasver, der im dunklen Winkel hockte und in Starre verfallen war. Er schien nicht wahrzunehmen, was um ihn vorging. Wenn man nahe an ihn herantrat, konnte man hören, dass er leise, unverständliche Worte vor sich hin murmelte, obwohl sich seine Lippen kaum bewegten. Dabei wiegte er sich langsam hin und her und hielt das Buch, das er in ein Stück Tuch gewickelt hatte, krampfhaft an sich gepresst.
    »Du siehst es ja selbst«, sagte ich.
    Sambo seufzte und schwieg.
    »Ich musste es tun«, sagte er schließlich.
    »Ja?«
    »Ich verstehe, dass du zornig bist, aber ich konnte nicht anders.«
    Ich schwieg.
    »Seit wann weißt du Bescheid?«
    »Seit vorhin, als ich ihn vor mir sah. Er hat mir gesagt, wie er es gemacht hat. Dass alles Theater gewesen ist …«
    »Dann weißt du ja auch, was mein Anteil war.«
    »Ich bin nicht dumm! Der Schuss war nicht echt, und du hattest die Waffe geladen! Was gibt es mehr zu sagen?«
    »Es war sein Wille. Er hat es von mir verlangt. Ich konnte nicht nein sagen. Du weißt, dass ich ihm mein Leben verdanke.«
    »Und warum hast du mir nichts gesagt?«
    »Er wollte es nicht. Ich musste schwören, auf mein …«
    »Auf deinen Götzen, wie?«
    Er nickte und murmelte: »Er hat gesagt, du wärst kein Schauspieler. Du hättest nicht überzeugend gewirkt …«
    »Das alles war nur ein Schachzug, und ich war das Werkzeug.«
    »Er wollte Zuschauer. Er musste als tot gelten. Er war in großer Gefahr.«
    »Ich war auch in großer Gefahr! Es war reine Glückssache, dass ich entkommen bin. Wenn man mich nun gefasst hätte?«
    »Du hast dich doch nur gewehrt.«
    »Ob man mir das geglaubt hätte?«
    »Ich war in der Nähe … Ich hätte nicht zugelassen, dass du zu Schaden kommst. Auch er hätte das nicht gewollt!«
    »Glaubst du das wirklich?« Bitterkeit schnürte mir die Kehle zu.
    Sambo zuckte mit den Schultern. »Ich wusste nicht genau, was er vorhatte. Vor allem, dass er weiter – töten würde. Verstehst du? Ich habe ihm einfach gehorcht. Ich weiß, dass es falsch war.«
     
    Später, tief in der Nacht, kam Grifone zu uns herauf und brachte Brot und einen Krug Branntwein mit. Hinter ihm erschien Lüns mit einer Laterne, die er an Stelle der heruntergebrannten Kerze auf den Tisch stellte. Alle aßen und tranken, alle außer Ahasver, der ohne ein Lebenszeichen in seinem Winkel kauerte. Oh, ja! Ich war hungrig! Ich trank auch, und der Schnaps kam mir längst nichtmehr so scheußlich vor wie beim letzten Mal. Er wärmte mich von innen, und das tat gut.
    Rau und Lüns wurden nach unten geschickt.
    »Hör zu!«, sagte Grifone zu mir. »Nimm diese Pistole. Bald ist der Mond weg, und dann wird es sehr dunkel sein. Dann werden wir ausbrechen.«
    »Ausbrechen?«, fragte ich erschrocken.
    Er nickte. »Es tut sich etwas. Sie bereiten irgendeine Teufelei vor, da bin ich sicher. Wir müssen ihnen zuvorkommen. Osman und ich lenken die Kerle ab, und ihr anderen benutzt die Gelegenheit. Sie werden überrascht sein, und …«
    In diesem Augenblick explodierte die Welt!
    Ein betäubender Knall erschüttert den Raum, das ganze Haus! Gegenstände stürzen zu Boden, Holzsplitter fliegen, Staub wirbelt aus allen Fugen. Als sei eine Riesenfaust auf uns niedergeschmettert! Ich taumle zur Treppe, hinter Grifone, dem hellrotes Blut über das Hemd rieselt. Auch ich muss verletzt sein, ich blute, wahrscheinlich am Kopf. Ich sehe es an meinem Ärmel, der über die Stirn gewischt hat. Aber kein Schmerz! Gar kein Empfinden! Nur dieses Würgen in der Brust!
    Rauch und Flammen dringen aus den unteren Geschossen herauf. Führt die Treppe noch ins Erdgeschoss? Im Feuerschein tanzen schemenhafte Gestalten. Taub! Ich bin taub! Aber nein, ich höre – wenn auch wie durch Watte!
    Da ist Osman. Er wankt gekrümmt, und wo seine Hand sein müsste, sehe ich nur einen blutigen Stumpf.
    »Sie schießen!«, keucht er. »Geht in Deckung!«
    »Was war das?«, brüllt Grifone. »Was zum Teufel ist das gewesen?«
    »Ein … F-fass!«
    »Wie?«
    »Plötzlich war’n sie da … haben was an die Tür gerollt! Auf ’ner Schubkarre, glaub ich … Ein Fass … ’ne Lunte, weiß nich’ mehr …«
    »Die anderen … wo …?«
    »Tot. Rau ist tot! Oh, die Schweine!«
    »Der Böhme?«
    »Weiß nich’!«
    »Lasst keinen rauf!«

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