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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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Balken. Doch darunter klafft eine tiefe Bresche.
    Ahasvers Stimme erhebt sich über das Getöse der Feuersbrunst: »Goldene Zukunft!« Kann er nicht endlich schweigen?
    Ich selbst habe mich seinem Griff entwunden und bin fast bis zum Fenstersims zurückgewichen. Doch auch hier geben die Stützen nach.
    Funkenschauer wirbeln ringsum. Kann ich das Zimmer wieder erreichen?
    Da keucht eine Stimme: »Hierher! Ich hol Euch rein!« Es ist Sambo, der seine Arme nach uns ausstreckt. Er kann aber weder Ahasver noch mich erreichen. Ahasver ist zu weit entfernt, und ich stehe zu weit seitlich.
    »Kommt, Herr«, übertönt er das Flammengeprassel. »Reicht mir Eure Hand! Und du, Kat, halt dich an der Kalle. Die ist noch …«
    Ich höre ihn und verstehe auch, was er sagt, aber alle Aufmerksamkeit ist durch Ahasvers Anblick gefesselt. Da steht er auf diesem Balken über dem Abgrund. Die Flammen lodern zu ihm herauf. Jeden Augenblick bricht das Holz weg und sackt in die Tiefe. Funken und Qualm! Der Feuersturm wirft glühende Luft nach oben, bläht den Mantel des Alten. Das zottige Greisenhaar, aufgelöst, sträubt sich und steht um seinen Kopf wie eine Aureole. Sein Blick sucht nach mir.
    »Die Hölle«, höre ich ihn murmeln, zwischen dem Bersten und Dröhnen, während eines dieser kurzen Augenblicke von Stille – mitten im Chaos.
    »Die Hölle – sie ist hier !« Dann, als sein Mantel schon brennt, spricht er noch einmal, zu Sambo gewandt, während das rasende Getöse von neuem einsetzt und mit Gewalt aufbrandet. Was sagt er? Verstehen kann ich es kaum, ich lese es mehr von seinen Lippen, aber ich bin sicher, es ist dies und nichts anderes: »Nein. Lass mich. Hol das Kind!«
    Im selben Atemzug wankt er, die Augen weit aufgerissen, das Buch mit verzweifelter Inbrunst an sich gepresst. Da splittert der Balkenrest unter ihm, bricht aus dem Gefüge, hängt noch einen Lidschlag lang am Mauerwerk und stürzt in die Tiefe. Die Füße des Alten verlieren den Halt, stoßen ins Leere, er taumelt, taumelt und stürzt, stürzt und dreht sich, und fällt und fällt und hält noch immer dieses Buch, dieses schreckliche Buch in den Händen.
    Der Abgrund reißt ihn an sich wie ein unendlicher Schacht, verschlingt ihn wie ein gieriger Rachen, Feuerlohe hüllt ihn ein. Durchdrei brandgeschwärzte, klaffende Geschosse verfolgt ihn mein Blick, immer noch glaube ich, seine Augen zu erkennen, tief im Glutofen, weit aufgerissen, unverwandt auf mich gerichtet … Dann sehe ich nichts mehr. Das Balkenwerk des ganzen Dachstuhls löst sich in Flammen auf und stürzt hinterdrein, Trümmerkaskade und Funkenregen, ein loderndes Grab …
    So gebannt war ich von diesem Schauspiel, dass ich ums Haar hinterdrein gefallen wäre. Im Schwindel hat mich eine Hand gepackt und in Sicherheit gezerrt: Sambo. Tränen schießen mir in die Augen, bittere Tränen, Tränen der Verzweiflung, die ich nicht zurückhalten kann.
     
     
     

RANDSTÄTTE
    Ich bin gerettet – für den Augenblick! Doch wohin sollen wir uns jetzt wenden? Das Haus mit dem Löwen brennt lichterloh. Zwar höre ich, wie Grifone aus Rauch und Hitze herüberbrüllt: »Die Treppe hält noch!«, aber unten warten die Feinde – wahrscheinlich immer noch in der Überzahl –, und die werden keinen von uns lebend hinauslassen.
    Wasser zum Löschen haben wir nicht und auch kein Pulver mehr für die Schusswaffen. Was also tun? Ich spüre eine seltsame Fühllosigkeit und Starre. Es scheint mir, dass alles zu Ende ist …
    Wieso wird es plötzlich so hell über dem Rauch?
    Es ist Morgen! Die Sonne geht auf!
    Da fällt mein Blick zum Fenster hinaus und entdeckt etwas Seltsames: Im engen Kreis, den der dichte Qualm noch offen lässt, auf diesem schmalen Stück der Dachflanke, das immer noch unberührt standhält, erscheint eine rätselhafte Schlange. Ihr Leib zuckt über die Schindeln wie eine Peitschenschnur, windet sich für kurze Zeit und verschwindet. Ein zweites Mal habe ich diese Vision. Dann ein drittes Mal. Jetzt bleibt der Kopf des Tiers am Stumpf eines Strebebalkens hängen. Das ist ein Seil mit einem eisernen Haken! Es spannt sich straff und vibriert. Geschieht sonst nichts?
    Doch! Ein Schatten hebt sich im Rauch hervor, zwei Füße in dünnen Leinenschuhen kommen auf mich zu, zwei magere Beine, knorpelig und blau geädert, bewegen sich über das Seil. Dann erkenne ich auch den Körper, der zu diesen Beinen gehört, einen schmächtigen Greisenkörper, der aus dem Qualm tritt und sich über mich beugt,

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