Tanz der Dämonen
bekannte Gesichter wahrzunehmen.
Ehe ich mir aber klar werden konnte, wo ich mich befand, stieg ein würgender Ekel empor und krampfte Lunge und Magen zusammen.
»Recht so«, hörte ich Bär sagen. »Huste es weg!«
»Kotz dich frei!« Das war Knallers Stimme.
Ich tat beides. Und der mir da so hingebungsvoll auf den Rücken klopfte, musste Zunge sein. Als der Anfall vorüber war, brachte ich es fertig, um mich zu blicken. Ja, da waren sie. Aber wie sahen sie aus! Bär hatte eine gewaltige Beule auf der Stirn und einen tiefen Schnitt am Ohr, an dem das Blut noch nicht ganz getrocknet war. Knaller war das eine Auge völlig zugeschwollen, und es zeigte prächtige Farben. Zunge trug gar den Arm in einer blutgetränkten Schlinge, die wohl aus einem Hosenbein gemacht war.
Dennoch schien keinem von ihnen etwas Ernstes geschehen zu sein. Und ihre Laune war offenbar prächtig. Wir saßen in einemHof. Es waren zahlreiche Bettler um uns herum, eine ganze Kompanie. Viele kannte ich vom Sehen. Es wurde laut geredet, auch die Verwundeten schienen guten Mutes, und jemand kochte Suppe. Zunge beugte sich über mich, hielt mir einen Blechbecher hin und nickte aufmunternd.
Wasser. Wie köstlich!
»Willst du auch essen?« Das fragte einer, den ich ebenfalls kannte. Es war der Graugesichtige mit den Marderschwänzen am Rock. Ich bedankte mich, verneinte jedoch. Ich spürte: Ich würde nichts anderes als Wasser vertragen.
»Ist wirklich alles in Ordnung?«, fragte Bär.
»Dumme Frage!«, keifte Knaller. »Man sieht doch, dass Kat schon wieder feiern möchte!«
»Lieber nicht«, murmelte ich. Meine Haut brannte an vielen Stellen wie Feuer. Das Haar war versengt. Aber es schien kein Knochen beschädigt, und es war keine Wunde zu entdecken, die stark geblutet hätte. Deshalb beschäftigte mich viel mehr als all das eine andere Frage.
»Sagt bitte, wie bin ich eigentlich …« Ich verstummte, weil meine Stimme so fremd klang. Mein Blick fiel auf Polonius, und ich wusste wieder, was gewesen war. Er hockte da und war – genau wie ich – in eine Decke gewickelt.
»Das hättet ihr sehen müssen!«, rief Knaller. »Wie ihr auf dem Seil entkommen seid! Das werde ich mein Lebtag nicht vergessen! So etwas gibt es kein zweites Mal!« Er war völlig obenauf. War er doch von den drei Kumpanen der Einzige, der alles gesehen hatte und davon erzählen konnte!
Ich ließ ihn schwadronieren und streckte, obwohl jede Bewegung Schmerzen verursachte, vorsichtig die Hand aus, um Polonius an der Schulter zu berühren. »Danke!« Mehr konnte ich nicht sagen.
Der alte Mann nickte. Er sah glücklich aus, wenn auch seine Augen trieften und ein qualvolles Hüsteln unablässig den mageren Körper schüttelte. »Ist mir … ’ne Freude … ’wesen«, brachte er heraus.Und ich glaubte einen unbändigen Stolz in seiner Stimme wahrzunehmen, so brüchig und schwach sie auch klang. Dabei hat er wahrscheinlich gelächelt. Sehen konnte ich es nicht, weil er ständig ein Tuch vor Nase und Mund gepresst hielt.
»Da zeigt sich, was einer vermag, wenn er weiß, was er kann«, sagte Bär. »Auch wenn er ein alter Mann ist …«
»Oder das, was gewisse Leute so gern als ’nen halben Kerl bezeichnen!«, bekräftigte Marderschwanz und schlug Knaller kräftig auf die Schulter.
Der funkelte ihn an wie ein bissiger Köter, aber dann hellte sich seine Miene auf. »Komm her, du Pisser!«, schrie er, und die beiden fielen sich in die Arme. Ich hatte den Eindruck, die gute Laune um mich herum sei wohl auch damit zu erklären, dass während meiner Ohnmacht eine Schnapsflasche – vielleicht sogar mehrere – die Runde gemacht hatte. Natürlich! Der Sieg musste schließlich begossen werden.
Oder gab es etwa einen ganz anderen Grund, weshalb mich jeder hier so aufmunternd anlachte? Ganz plötzlich verwandelte sich mein Herz in Eis.
Heilige Muttergottes!
»Was ist mit Grifone?«, fragte ich.
Zunge verzog schmerzlich das Gesicht.
»Er ist noch nicht gefunden«, sagte Bär düster. »Aber das heißt nichts.«
»Das will ich sehen!«, rief ich und war sofort auf den Füßen.
»Langsam«, sagte Bär. »Sei vorsichtig! Du kannst nicht …«
»Überall sind die Büttel«, fiel Knaller ein. »Die Stadtwache hat alles abgesperrt.«
»Ich muss aber …«
Bär seufzte ergeben. »Du wirst dich niemals ändern, was?«
Aber ich war schon in der Gasse, wo viel Volk herumlungerte. Zahlreiche Bürger drängten heran. Eine ganze Menschenmenge. Alle starrten dorthin, wo am Vorabend
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