Tanz der Dämonen
noch das Haus mit dem Löwen gestanden hatte. Ich musste tief Luft holen und spürte plötzlichwieder die Schwäche in meinem Körper, den Schmerz in allen Gliedern und den Schwindel in meinem Kopf. Aber ich musste Grifone finden!
Die rußgeschwärzte Ruine erschreckte mich. Ihre bizarr verkohlten Mauerreste reichten etwa bis zur Höhe des ersten Geschosses. An der Fassade prangte so gut wie unversehrt das zähnebleckende Löwenmaul. Dahinter türmte sich eine düstere Masse verkohlter und teils noch qualmender Trümmer, ein Gebirge, dessen Ausläufer bis in die Gasse reichten. Ein ekelerregender Brandgeruch lag über allem, und ich musste erneut würgen. Was mochte aus meinem Vater geworden sein? Lag er etwa unter all diesem Schutt? Hatte ihn am Ende doch noch eine Kugel getroffen oder ein Schwert durchbohrt? Ich trat näher und achtete gar nicht auf die Wachen.
»Was willst denn du hier?«, fragte ein Soldat mit einer Hellebarde. Und ein anderer, der sein Kommandeur zu sein schien, fügte barsch hinzu: »Hau ab! Du hast hier nichts verloren!« Da überwältigte mich der Zorn. Mit Tränen in den Augen stürzte ich auf ihn los und trommelte mit den Fäusten auf seinen eisernen Brustpanzer. Jemand hielt mich von hinten fest und redete beruhigend auf mich ein.
»Lass gut sein«, hörte ich und: »So hat es keinen Sinn.« Das war Pietros Stimme. Wo kam der jetzt her? Ach, es war mir gleichgültig. Ich war nur froh, dass er da war.
»Sie sind alle gekommen«, sagte er. »So etwas habe ich noch nicht erlebt.«
»Aber weißt du etwas von Grifone?«
Er blickte zur Seite. »Nein.«
Da erklang eine andere Stimme. Sie rief die Wachen zurück und gebot Ruhe. Herr Lennart! Offenbar hatte er die Aufsicht an der Brandstätte. Mit kummervoller Miene blieb er vor mir stehen und schien nicht recht zu wissen, was er zu mir sagen sollte. Er hielt einen kunstvoll gedrechselten Stab in der rechten Hand und klopfte mit dem Knauf auf die geöffnete Fläche der linken.
»Ihr …«, begann ich.
»Du«, murmelte er. »Schon wieder du.« Und dann zu den anderen: »Lasst uns allein.«
Auch Pietro musste gehen.
Herr Lennart wartete, bis er sicher war, dass keiner uns hören konnte; dann sagte er: »Du bist immer dabei, wenn es Unruhe gibt, nicht wahr?«
»Ihr habt ein neues Amt erlangt!«, setzte ich dagegen.
»So ist es. Ja, gewiss, vor ein paar Tagen schon. Genau, wie du es vorausgesagt hast. Vielleicht wird es noch höher hinaufgehen. Wieso kennst du die Zukunft anderer und deine eigene nicht?«
»Oh, Ihr müsst wissen: In diese Sache bin ich geraten, ohne es zu wollen. Es war schrecklich! Und … und ich glaube, mein – mein Vater – er ist da drin …«
»Da drin? Hat er etwa zu den Plünderern gehört?«
»Plünderer? Oh – nein, er hat gegen sie gekämpft! Und ich fürchte, dass er …«
»Erzähl mir nicht mehr, als ich wissen will. Es soll ein Schatz im Keller verborgen sein. Das wäre eine Erklärung. Eine Erklärung, die ich brauchen kann: Es sind marodierende Söldner und Deserteure gewesen, die sich in die Stadt geschlichen haben …« Er schien auf meine Zustimmung zu warten.
»So wird es wohl sein«, sagte ich. »Brandstifter! Sie haben eine Sprengladung gezündet. Aber damit habe ich nichts zu tun. Ihr Anführer war übrigens ein gewisser Ferrand …«
»Ein Galgenvogel, den wir längst kennen.«
»Seht Ihr! Und ich bin gegen meinen Willen da hineingeraten. Mein Vater und meine Freunde haben mich befreit.«
Er nickte nachdenklich. »Ja, ja. So wird es sich in meinem Bericht wohl ausnehmen. Sei ohne Sorge! Eine Gruppe beherzter Bürger und gesetzestreuer Gäste unserer Stadt hat ihr Leben eingesetzt, um das Schlimmste zu verhüten. Ob es uns gelingt, den Schatz zu finden und sicherzustellen, steht noch dahin. Nun gut. Aber wie war es wirklich?«
»Es war, wie Ihr sagt.«
Er nickte grüblerisch. »Und dieser Ahasver? Es hat geheißen, er sei längst tot.«
»Er war nicht tot. Er ist hier gewesen. Aber jetzt ist er tot. Ich sah, wie er starb.«
»Im Feuer. Wie du vorausgesehen hast. Das war es doch, was du damals gemeint hast. Nicht wahr?«
»Im Feuer.« Erst jetzt wurde mir klar, dass er Recht hatte. Ein Schauder lief mir über den Rücken. Hatte ich das wirklich vorhergesehen? Ich schwieg.
»Und ein Akrobat soll dir zur Hilfe gekommen sein«, sagte er. »Ein Seiltänzer, heißt es. Und ein schwarzhäutiger Riese. Und – die Bettler von Köln …«
»Ich habe gute Freunde.«
»Und … ein vornehmer
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