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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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ich sehe das vogelhafte Gesicht von Polonius, angespannt und mit tränenden Augen, sein Atem würgt krampfhaft, aber er grinst mich an.
    »Also so ist das«, keucht er. »Wie? Herumsitzen und Trübsal blasen! Aus dieser Patsche kommt man wohl nicht raus – ohne mich alten Mann!« Damit legt er seine Seiltänzer-Stange beiseite und schnürt ein Bündel von der Schulter: Pulver und Blei und ein Ziegenfellbeutel mit Wasser. Wahrhaftig eine seltsame Art von Rettungsengel!
    Während ich gierig trinke, ruft er mit gellender Stimme nach Grifone und Sambo, die rasch begreifen, rascher als ich, was vor sich geht.
    »Das kommt im richtigen Moment«, krächzt Grifone. Sie laden ihre Schießprügel und wagen sich erneut zum Angriff vor. Wie weit werden sie kommen? Wann bricht das Haus zusammen? Ich muss ihnen nach!
    »Bleib hier!«, ruft Polonius streng. »Das ist nichts für dich.«
    Ich zögere. Es ist, als hätten ein paar Schluck Wasser auch mir den Lebensmut zurückgebracht.
    »Aber wir müssen weg. Seht Ihr nicht, wie das Feuer uns einschließt?« Dabei fällt mein Blick auf die Geheimtür.
    »Der Turm! Wir müssen in den Turm gelangen! Der ist aus Stein und wird dem Feuer standhalten!« Wieso nur ist das keinem von uns vorher eingefallen? Kopflosigkeit und Verblendung! Ich muss lachen.
    Doch Polonius fasst mich an der Schulter und schüttelt den Kopf.
    »Wenn du die Tür da meinst, die hab ich mir angesehen, grad eben, sie ist zu, und nichts wird sie öffnen …«
    Wahrhaftig. Wer hat sie geschlossen? Der Luftzug? Schlimmer noch: Ein Balken ist gegen sie gestürzt und blockiert den Durchgang vollständig!
    »Aber dann …«
    »Du wirst mit mir kommen. Ganz einfach. Das Seil trägt uns beide.«
    Über das Seil, ich?
    Er zieht mich mit, und ich folge ihm. Willenlos. Die Flammensind da! Ein plötzlicher Wind facht sie an, und sie drängen von allen Seiten auf uns ein. Was ist das? Noch einmal bannt eine phantastische Einzelheit meinen Blick: Glühende Rinnsale kriechen über die Schindeln. Im Dachwinkel ist die Hitze so groß geworden, dass die Wasserschläge, die wohl aus Blei sind, weich werden und zu träger Flüssigkeit schmelzen. Tropfen vereinigen sich zu Bächen, und das glühende Nass strömt aus dem Maul eines drachenköpfigen Wasserspeiers in die Tiefe.
    Polonius reißt mich aus meiner Starre. »Häng dich auf meinen Rücken«, befiehlt er. »Die Arme über die Schultern. Ja, so, Schritt für Schritt!«
    Welche Spannkraft in seinem mageren Körper steckt! Ich schäme mich, denn ich hatte ich ihn schon für einen wandelnden Leichnam gehalten.
    »Halt dich fest«, ruft er und fügt kichernd hinzu: »Ein seltsames Bürschchen! Hast Brüste wie ein Mädchen!«
    Der Rauch wird dichter und nimmt mir fast die Besinnung.
    »Wo … wo sind wir?«
    »Über der Straße!«
    Aus dem brennenden Haus hallen Schüsse herauf. Grifone und Sambo! Sie kämpfen noch. Gott steh ihnen bei!
    »Da, sieh dir das an!«, schnarrt Polonius, drückt meinen Arm und zeigt nach unten.
    Ich blinzle hinab. Die Rauchdecke ist jählings aufgerissen. Ich erkenne die Gasse vor dem Haus. Da wimmelt es plötzlich von bewaffneten Gestalten.
    »Was – was sind das für Leute?«
    »Eure Hilfstruppen. Tolle Burschen! Lumpen und Fetzen als Uniform!«
    Es sind die Bettler! Dutzende von ihnen! Sie kommen von allen Seiten, stürmen aus Torwegen und Mauerwinkeln hervor und werfen sich auf die Belagerer. Keulen und Säbel, Messer und Stöcke sind grässlich am Werk. Da ist Zunge! Er schwingt eine Axt! Und dort Bär – von Knaller gelenkt, der auf seinem Rücken hockt wieein Ritter zu Pferd. Knaller schießt ein Handrohr ab, der Rückstoß wirft ihn fast herunter.
    »Haut sie zusammen!«, brüllt Bär. »Lasst keinen Hundsfott entkommen!«
    Dann ist der Rauch wieder um uns, und mir schwinden vollends die Sinne. Ich habe keine Ahnung, wie es möglich war, aber wir sind bis zum Haus gegenüber gelangt.
     
    Bei Sonnenaufgang, als die Feuersbrunst ihren Höhepunkt erreichte, standen drei oder vier Häuser zugleich in Flammen, und es hat wohl wenig gefehlt, dann wäre ganz Köln niedergebrannt. Dieses größere Unheil blieb der Stadt erspart – und allen, die in ihren Mauern weilten. Doch für mich war das, was ich gesehen hatte, nicht anders als eine Vorahnung des Weltuntergangs.
    Als ich wieder zu mir kam, stach der Rauch noch immer in meiner Kehle. Der Kopf dröhnte, die Augen brannten, der ganze Körper schmerzte.
    Mühsam bekam ich die Lider auf und glaubte,

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