Tanz der Dämonen
Tag hielt noch Überraschungen bereit, die von persönlicher Bedeutung waren. Die erste stimmte mein Herz traurig. Kaum begann die Menschenmenge sich aufzulösen, da hörte ich vor mir ein heftiges Zetern und Kreischen weiblicher Stimmen. Vier oder fünf Frauen wälzten sich wie balgende Katzen im Schmutz. Die Umstehenden bildeten einen Kreis und feuerten die Kämpfenden lauthals an. Die beschimpften sich und schlugen einander mit Fäusten, kratzten mit den Nägeln und zerrten sich an den Haaren.
»Nimm sie bei den Ohren!«, krähte ein mageres Männlein, das wie ein Amtsschreiber aussah. »Kratz ihr die Augen aus!«, schrie ein Bursche in Landsknechtstracht. Salven von Gelächter begleiteten diese Vorschläge. »Lasst sie nicht aus, Mädchen!«, dröhnte ein Mann im gediegenen Rock eines Kaufherren und hielt sich den Schmerbauch vor Vergnügen. Ich erkannte bald deutlicher, was da vorging. Eine Frau wurde von vier anderen angegriffen. Eine der vier kniete auf dem Opfer und drückte es in den Schlamm, wobei ihr selbst das Kleid aufriss, so dass zum Gaudium der Zuschauer ihr üppiger weißer Busen hervorquoll. Die am Boden Liegende blieb ihren Angreiferinnen nichts schuldig. Im Gegenteil! Sie wehrte sich wie eine Raubkatze. Eine von den vieren, der leuchtend rote Haare übers Gesicht hingen, kreischte schrill und zog sich zurück. Sie hatte eine Bisswunde an der Schulter. Die zweite musste einen wütenden Hieb einstecken und hielt sich die Hände vor den blutenden Mund. Die dritte, die mit dem geplatzten Kleid, verdrückte sich ebenfalls. Da verließ auch die vierte der Mut. Dann kamen unter Gelächter die Büttel und trieben die Kämpferinnen endgültig auseinander. Die Angegriffene, die Beine bis obenhin entblößt, erhob sich mühsam und wandte sich taumelnd ab. Sie war mit Blut und Dreck verschmiert, dennoch erkannte ich Rosanna. Ihr Umhang lag zerfetzt im Schlamm.
»Ich helfe dir«, rief ich und eilte zu ihr. Sie aber nahm mich kaum wahr und zischte nur: »Lass mich in Ruhe!«
»Das wird dich lehren, dich in unserem Revier breit zu machen«,keifte die mit der verletzten Schulter. Der Volksauflauf zerstreute sich. Ich war froh, dass Pietro diese Szene nicht beobachtet hatte.
Ihn traf ich etwas später an einer Gasse, die den seltsamen Namen Voir der vetter hennen trägt. Er wirkte ziellos und niedergeschlagen.
»Lass uns was trinken«, schlug er vor. »Ahasver hat mir gesagt, dass wir ihn in dem Weinhaus da drüben treffen sollen.« Davon hatte er mir nichts gesagt. Ich ärgerte mich. Dennoch folgte ich ihm.
So traten wir in eine Schänke, in der es nach heißem Gewürzwein roch. Es ging hoch her, wie offenbar in allen Kölner Gaststätten an diesem Tag, aber wir fanden trotzdem Platz.
Pietro wollte zuerst nicht mit mir reden. Er trank nur verzweifelt in sich hinein. Das war nicht meine Sache. So hörte ich zu, was um mich her gesprochen wurde. Mehrere Kaufleute saßen am Nachbartisch. Einer nach dem anderen führte das große Wort.
»Man kann den Kaiser verstehen. Und Ferdinand soll ihn auch kräftig gedrängt haben.«
»Was will er denn machen? Das frage ich Euch!«
»Herr in Ober- und Niederösterreich ist er ja schon lange, der Ferdinand. Seit dem Wormser Kontrakt auch in Kärnten und der Steiermark. Und fast ebenso lange vertritt er den Kaiser im österreichischen Land. Seit Anno 26 ist er König von Böhmen und Ungarn. Aber damit nicht genug … Es wird darauf hinauslaufen, dass Ferdinand die Statthalterschaft im deutschen Reich übernimmt.«
»Der Kaiser ist in der Klemme. Er hat auf allen Seiten Not – vom Türken im Osten und vom Franzosen im Westen. Dazu die Probleme in Italien und in Spanien. Und was für Sorgen nicht noch! Die Neue Welt!«
»Ihr seid nicht der Einzige, der sich Gedanken macht! Was ist denn mit den Feinden im Innern? Ketzer und Verräter, die nur auf seine Schwäche warten! Da geht es doch schon längst nicht mehr um Religion, sondern nur noch um Politik!«
»Nicht um Politik, sondern um Geld! Warum ist der Kaiser dennin Bedrängnis? Immer wieder hat er Zugeständnisse zu machen, weil er zum Beispiel Geld gegen die Türken braucht! Für seine Krönung in Bologna mussten auch Konzessionen sein. Der Papst will das Konzil nicht, auf das es der Kaiser anlegt. Als ob er noch Spielraum hätte!«
»Ihr da habt es schon gesagt: die Neue Welt! Da, glaubt mir, werden die wirklich großen Geschäfte zu machen sein. Die Fugger und die Welser, die wissen das!«
»O ja. Wo Ihr vom
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