Tanz der Dämonen
daran, dass es Wahrsagerei gibt. Kein vernünftiger Mensch täte das. Das ist dasselbe wie mit der Zauberei oder dem bösen Blick. Aber mir war neu, dass Ahasver diese Gabe besaß. Zu oft hatte ich miterlebt, dass er die Zukunft ebenso wenig kannte wie irgendeiner von uns.
»Du glaubst wohl nicht, dass ich so etwas kann?«, fragte er. »Ach ja. Der Prophet gilt nichts bei den seinigen! Pass auf: Dort wirst du mich Meister nennen!«
Ich dachte mir meinen Teil. Neben der echten Magie gibt es bekanntlich die falsche, so wie es die weiße und die schwarze gibt, die etwas sehr Unterschiedliches sind, die eine gut, die andere böse. Jedenfalls hatte Ahasver Spaß daran, andere Menschen an der Nase herumzuführen.
»Warte ab«, sagte er. »Du brauchst erst einmal nur zuzusehen. Aber dann kommt die Kristallkugel. Und dabei brauche ich dich. Das macht sich besser. Gib Acht …«
Und dann erhielt ich genaue Vorschriften. Ich zog es vor, nicht weiter darüber nachzudenken, ob es Recht oder Unrecht sei, zu tun, was er verlangte. Hatte ich denn eine andere Wahl?
Es war schon Nachmittag, als wir hinter der Abtei von St. Pantaleon das Haus unseres Klienten erreichten. Er musste wohlhabend sein. Es war ein großes, reich ausgestattetes Gebäude, voll gestopft bis an die Decke mit seltsamen Dingen, welche die Römer geschaffen hatten und die mancherorts in Köln gefunden wurden – eifrig gesammelt von manchen Gelehrten. Aber so viel! Man konnte kaum atmen in diesen Räumen. Ein Gefühl der Beklommenheit erfasste mich.
Der Klient, der uns warten ließ, ehe er uns begrüßte, war ein kleiner, beweglicher Mann mit angenehmen Gesichtszügen und einem glatten weißen Bart. Er trug einen schlichten Rock, hatte aber mehrere goldene Ringe an den Fingern.
Der Meister redete den Klienten als Herrn Lennart an. Uns stellte er vor, indem er sagte: »Ich bin der, den man unter den Eingeweihten als den großen Ahasver kennt, und dies ist mein Gehilfe.«
Herr Lennart nickte grüblerisch. »Gestattet mir eine Frage«, sagte er zu Ahasver. »Ihr seid doch kein Jude, nicht wahr?«
Ahasver sah ihm geradewegs in die Augen und antwortete: »Nein, mein Herr. Das bin ich nicht. Und erst recht nicht jener sagenhafte …«
»Gut, gut! Haltet mich nicht für einen Narren.«
»Aber wenn ich es wäre – würde das etwas ändern?«
»Gut und wohl. So habe ich das nicht gemeint. Ihr haltet es wohl mit dem Reuchlin und nicht mit dem Magister Gratius und – den Dunkelmännern . Recht so.« Ein zaghaftes Lächeln erschien auf seinen Zügen. Er sagte nicht Dunkelmänner, sondern nannte sie homini obscuri . Mir war, als hätte ich diese Bezeichnung schon einmal gehört, aber ich wusste nichts mit ihr zu verbinden. Auf jeden Fall hinterließ sie ein unheimliches Gefühl, doch ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken.
»Den Namen, mit dem ich heute so ehrenvoll bekannt bin, trage ich keineswegs von Geburt«, erklärte Ahasver, offenbar auf Versöhnlichkeit bedacht. »Es ist ein Künstlername, könnte man sagen.«
»Nur – verzeiht! –, es ist eigentlich ein … ein schlimmer Name, oder nicht?«
Ahasvers Gesicht war keinerlei Regung anzusehen. Gemessen sagte er: »Bedenkt bitte: Ahasveros, das ist der Name Ataxerxes’ des Großen von Persien! Den Ihr aus dem Buche Esther kennt. Ein mächtiger König, ?vom Indus bis an den Nil?. Ein Heidenfürst freilich, ein Despot zweifellos, aber auch ein Mann der Gerechtigkeit und damit ein großer Mann!«
»Auf ihn bezieht sich also Euer Name!? Verzeiht! Ich dachte an einen anderen. Es gibt da mancherlei Geschichten um diesen Namen …«
Ahasver schwieg.
»Versteht mich bitte nicht falsch, aber: Nomen est omen .«
»Wie recht Ihr habt.« Man musste den Alten gut kennen, um zu wissen, dass er verstimmt war. Doch er gab sich ungerührt: »Abernun – seid Ihr bereit, dass wir beginnen? Ich denke, wir wollen eher über Eure Zukunft reden als über meine Vergangenheit.«
Der Klient nickte unsicher.
»Es ist alles da, wie Ihr es verlangt habt«, sagte er. »Ein Wasserbecken aus Messing, so groß wie gefordert. Die Kerzen … Alles andere, so habe ich Euch verstanden, führt Ihr mit?«
»Alles andere – ja.« Ahasver brachte ein Buch und weitere Gegenstände aus seiner Ledertasche zum Vorschein und verbarg das meiste davon fürs Erste unter einem Tuch.
»Das Zimmer ist abgedunkelt, wie es sein muss«, sagte er. »Gut so. Bitte gebt Anweisung, dass niemand uns stört!«
Dann begann er umständlich mit
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