Tanz der Dämonen
loslaufe, sieht mich einer und gibt einen mühsam keuchenden Ruf von sich.
Also auch nicht mehr ganz frisch!, denke ich.
Jetzt nur keinen Fehler mehr! Vorsicht bei Seitenwegen! Nicht etwa in eine Sackgasse!
Wenn ich mich doch besser auskennen würde in dieser Stadt!
Ein Platz, auf dem Markt gehalten wird. Man baut gerade die Stände ab und packt die übrig gebliebenen Waren ein. Genug Menschen, damit ich vielleicht zwischen ihnen untertauchen kann. Bald wird das Abendrot erlöschen, und dann wird es rasch dunkel sein!
»Gibt’s wo was umsonst?«, fragt ein Händler, der mich laufen sieht. Auch noch Späßchen! Ich will mich zwischen zwei Ständen hindurchschlängeln, bleibe aber an einem Haken hängen, und alles gerät aus den Fugen. Holz splittert. Äpfel kullern. Gestank von salziger Fischlake! Ich bin gestürzt, taste um mich. Etwas Hartes unter meiner Hand: ein Fischmesser. Lang, schmierig, stinkend. Ein Wink des Schicksals? Ich fasse zu, und während ich mich aufraffe, verberge ich die Klinge unter der Jacke.
Nichts wie weg von hier!
Hinter mir bricht ein Getümmel los. Keifende Stimmen und wüstes Gebrüll. Das wird euch zu schaffen machen. Oder etwa nicht?
Aber jetzt kann ich nicht mehr weiter. Mir ist alles gleich. Zwischen Karrenrädern und Abfallhaufen werfe ich mich in einen finsteren Winkel und schlinge die Arme um die Knie, in die Enge getrieben wie eine Ratte. Komme, was will! Ich halte die Augen fest geschlossen …
Eine Zeit lang höre ich nichts. Dann unflätige Schimpfworte und schließlich, näher, raue Zurufe: »Hier nicht!« – »Was ist da drüben?« – »Verfluchtes Miststück!«
Ich öffne die Augen. Über mir steht eine Gestalt, ein drohender Umriss gegen den flammenden Himmel. Schwere, dreckige Stiefel. Die Hose am Knie zerfetzt. Dampfender Atem im Gesicht. Armbrust!
Das ist das Ende, denke ich. Er hat mich. Alles aus. Wie jetzt noch fliehen? Aber leicht soll es ihm nicht werden! Meine Hand umklammert den Messergriff.
Eine endlose Stille, während er bewegungslos verharrt und ich meine Kräfte zum Sprung sammle. Dann sehe ich, dass er den Zeigefinger an den Mund führt. Was heißt das? Still soll ich sein?
»Was ist denn nun?«, ruft eine ungeduldige Stimme vom Marktplatz herüber.
Armbrust dreht sich um und antwortet: »Aufgepasst! Da sehe ich ihn! Dort rechts hinüber!«
Sein Arm weist in die entgegengesetzte Richtung. Damit verschwindet er, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen. Ich verstehe das nicht. Warum hat er mich gerettet? Seine Schritte verhallen. Jetzt schnell auf und davon!
Es geht wieder. Allerdings laufe ich jetzt nicht, sondern bewege mich gerade so schnell, wie es möglich ist, ohne Misstrauen zu wecken. Zuerst kann ich es noch nicht glauben. Aber dann fühle ich mich sicherer mit jedem Schritt. Um mich herum alltägliches Leben, gemächlich und ohne einen Gedanken an Gewalt. Zwei Männer nehmen Abschied vor einer Haustür. Eine Frau ruft nach ihrem Kind. Ein Hund bellt hinter einem Gitter. Das Zittern meiner Hände lässt nach. Der Atem beruhigt sich. Der Fuß schmerzt wieder. Erste Lampen erhellen die Dämmerung.
Noch einmal davongekommen, denke ich. Aber knapp ist das gewesen!
Und Verwirrung erfüllt mich, wenn ich an den Mann mit der Armbrust denke. Grifone , so war sein Name doch. Wie soll ich sein Verhalten deuten? Er hat mich schon wieder gerettet!
Ich komme an einem Brunnentrog vorbei. Dünnes Eis. Ich muss es zerbrechen, um ans Wasser zu kommen, und trinke aus der hohlen Hand. Eisige Schlucke, die im Hals brennen. Aber erfrischend!
Langsam gehe ich weiter. Die Umgebung kommt mir jetzt bekannter vor. Hier beginnt das Gerberviertel. Der Geruch sagt es eindeutig.
Rechts von mir ein lang gestreckter Verschlag aus rauem Holz. Ist da nicht eine Bewegung hinter der Bretterwand? Kaum ist der Gedanke aufgezuckt, da ist es auch schon zu spät! Mit lautem Bersten splittert morsches Lattenwerk auseinander, eine schwarze Gestalt bricht hervor, kräftige Arme umklammern mich – ein brutalerGriff, der mir kaum ein Quäntchen Luft lässt. Schweißgeruch und Schnapsatem!
Es ist Ohrring, durchfährt es mich. Er hat mich erwischt! Wie hat er mich überholen können?
»Verflixter Satansbraten«, stößt er hervor. »Ziemlich schlau, Bürschchen, aber nicht schlau genug! Hast wohl vergessen, dass ich weiß, wo du dein Rattenloch hast, wie?«
Also hat er mir einfach aufgelauert. Mistkerl!
Ich wüte wie ein Berserker, kann mich seinem Griff jedoch nicht
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