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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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erreichte ich die vertraute Stelle, wo die drei Bettler ihr Nachtlager hatten. Ich hatte den Drang, mich mit Bär zu beraten. Er würde wissen, ob es richtig war, was ich tat. In dieser frühen Stunde hoffte ich, die Freunde hier anzutreffen. Ich würde ihnen sagen, dass ich jetzt bei ihnen bleiben wollte. Aber schon von weitem erkannte ich: Hier war etwas geschehen! Ich fand keine Bretterhütte und keine Schlafhöhle vor. Alles war weggerissen, nur die nackte Mauer grinste mich an. Etwas weiter lag ein Haufen Asche mit ein paar halb verkohlten Holzresten. Alles schon kalt! Der Anblick traf mich wie ein Schlag. Was mochte aus ihnen geworden sein? Ich fand keinen Hinweis.
    Wie sollte ich nun diesem undurchsichtigen Pater Nabor entgegentreten? Ich hätte ihren Rat so dringend gebraucht. Und ich hätte gerne gewusst, ob von der Verstimmung zwischen uns noch etwas übrig war.
    »Ich werde sie finden«, flüsterte ich, und die Worte verwandelten sich in Atemdampf, der rasch verflog.
    Die Glocken läuteten zur Morgenmesse. Es wurde Zeit, dass ich mich auf den Weg machte. Doch ich beschloss, nicht direkt zum Kloster zu gehen. Wenn mir jetzt ein Mensch helfen konnte, war es Bruder Anselmus, obwohl er auch ein bedenklicher Bursche war. Zum Glück wusste ich noch genau, wo er hauste.
    Der Hof hinter den Planken war leer und starrte vor Eis. Selbst der üble Geruch hatte sich verzogen. Wo steckte Anselmus nur?
    Eine Fensterklappe am Nachbarhaus schob sich auf, und der Kopf einer griesgrämigen Alten kam zum Vorschein. »Suchst du den schielenden Drecksack?«, keifte sie. »Solltest Besseres mit deiner Zeit anfangen! Die Büttel haben ihn geholt. War längst fällig.«
    »Die Büttel? Warum?«
    »Dumme Frage! Weil er ein schielender Drecksack ist. Und weiler sich dem Leibhaftigen verschrieben hat! Hoffentlich schmort er bald in der Hölle!«
    Was nun? Die Kälte kroch mir in die Knochen. Ich war nun ganz auf mich allein gestellt. Das Bimmeln einer kleinen Glocke am Dom erinnerte daran, dass die Sonntagsmesse dem Ende zuging. Also rieb ich mir die Hände und lief zum Kloster Heilig Kreuz.
    Licht schimmerte hinter den bunten Fenstern und ließ blanke Eiszapfen glitzern.
    Das sah festlich aus. Doch mein Herz war bedrückt, und meine Unsicherheit wurde quälender, je mehr ich mich der Pforte näherte. War es ein Zufall, dass die Justiz gerade an diesem Morgen nach Bruder Anselmus und den Bettlern gegriffen hatte? Vielleicht steckte Pater Nabor dahinter. Schließlich verfügte er, wie ich von den Bettlern wusste, über gute Verbindungen zur Inquisition. Dann war vielleicht ich das nächste Opfer! Bangigkeit schnürte mir die Kehle zu. Sollte ich wirklich zu ihm gehen?
    Rasch blickte ich mich um. Neben dem Kloster stand ein Bürgerhaus mit einem Anbau, der einen Heuboden mit einer offenen Luke hatte. Daneben verlief eine Mauer mit Efeubewuchs. Genau so etwas brauchte ich! Ich hangelte mich an den vereisten Ranken empor und gelangte in das Versteck, ohne gesehen zu werden. Dort streckte ich mich aus und konnte, wie ich gehofft hatte, den Kirchenbau und die angrenzenden Klosteranlagen überblicken. Die Situation kam mir bekannt vor: Beobachten war neuerdings meine wichtigste Tätigkeit. Wie das Lauern eines Jägers auf Beute. Beobachten und – davonrennen.
    Unter mir war ein Pferdestall. Ich hörte die Bewegungen der Tiere und spürte ihre Wärme. Lange brauchte ich nicht zu warten. Beim Ende der Messe strömten die Kirchenbesucher ins Freie und machten sich eilig davon, den Kragen aufgestellt, die Mütze tief in die Stirn gedrückt. Die Kälte lud wirklich nicht zum Verweilen und Schwatzen ein. Etwas später kamen die Mönche heraus und verschwanden im Kreuzgang. Und nun?
    Da erschien Pater Nabor. Ich erkannte ihn sofort, obwohl erseine Kapuze hochgeschlagen hatte. Seine gekrümmte Haltung war unverwechselbar. Er blieb stehen und blickte misstrauisch um sich.
    Sucht Ihr jemanden, Hochwürden?
    Ich verkroch mich hinter dem Lukenrand, weil ich fürchtete, sein durchdringender Blick könne mich erspähen. Wie gut, dass ich diesen Augen jetzt nicht gegenübertreten musste! Selbst auf die Entfernung jagten sie mir Furcht ein.
    Aber wenn ich mich nun täuschte? Vielleicht war sein Angebot ehrlich gemeint. Dann versäumte ich meine entscheidende Chance, die Wahrheit zu erfahren!
    Ich blieb nicht lange im Zweifel. Pater Nabor wartete noch eine Weile an der Klosterpforte. Dann drehte er sich abrupt um und machte eine ärgerliche Handbewegung.

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