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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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seinen Kragen hoch. Eisiger Wind traf uns.
    »Wenn du noch niemals bei den Leprosen gewesen bist«, sagte er unvermittelt, »dann solltest du dich gegen ihren Anblick wappnen. Es ist eine düstere Seite unserer Welt. Der Magistrat hat klugerweise verboten, dass sie sich in den Straßen herumtreiben und betteln. Und wenn sie unter die Menschen gehen, dann ist es ihnen auferlegt, eine Klapper zu tragen, damit ihnen jeder aus dem Wege gehen kann. Das Leiden dieser Elenden ist quälend anzusehen. Aber gewiss muss man es als ein Verhängnis Gottes betrachten. Mach dichdarauf gefasst. Es gibt keine Hilfe. Das Siechenheim verwahrt sie, aber ärztliche Kunst kann diese Krankheit nicht heilen. Der Körper zerfällt bei lebendigem Leibe. Wenn man bedenkt … Doch Gott wird wissen, warum er eine solche Geißel zulässt …«
    »Ihr glaubt, es ist eine Strafe des Herrn?«
    »Wer kann es wissen? Andererseits wird behauptet, dass es sich durch Ansteckung überträgt. Nimm besser dies hier.«
    Er reichte mir ein kleines Tuch, das er mit einer scharfen Essenz aus einem Fläschchen benetzte. Für sich selbst hielt er ein ähnliches Tuch bereit.
    »Nimm deinen Atem in Acht. Halt dir das vor Mund und Nase. Man kann nie wissen.«
    Wir waren vor einem verwitterten Tor angelangt. Mehrere Gebäude drängten sich hier zusammen, Wohnhäuser, Ställe und Schuppen. Ringsum lagen Gärten.
    »Hier findest du die wohlhabenderen unter den Kranken«, sagte er. »Man kauft sich ein. Es gibt auch fromme Stiftungen, und einige haben kostenlose Plätze … Kinder Gottes sind auch sie …«
    Ein Türhüter öffnete uns. Wir waren sogleich umringt von zahlreichen Kranken. Einigen sah man ihr Leiden kaum an, vermummt, wie sie der Kälte wegen waren; die meisten jedoch trugen erkennbare Zeichen an Gesicht und Händen; manche, die am schlimmsten heimgesucht waren, verhüllten sich so, dass man ihre gräuliche Entstellung nur ahnen konnte, und einige, deren Körper buchstäblich in Auflösung zu sein schien, hielten sich abseits. Einige bettelten uns an, und Herr Lennart gab ihnen ein paar kleine Münzen, die er wohl eigens für diesen Zweck bei sich hatte. Dann führte er mich rasch zum Haus des Aufsehers und machte mir dabei erneut vor, wie ich durch das Tuch atmen sollte.
    Der Aufseher, ein argwöhnisch wirkender Greis mit einer gewaltigen Hakennase, begrüßte Herrn Lennart respektvoll. Mich hingegen musterte er unfreundlich und brummte dann: »Wir werden Euren Mann in seiner Klause suchen.«
    Als ich vor dem jüngeren Herrn Arndt stand, wusste ich sofort,dass dies der Mann war, dem ich im Haus mit dem Löwen begegnet war. Ich konnte allerdings nicht sagen, woran ich ihn erkannte. An seiner Kleidung? Oder war es seine Haltung? Das Gesicht war ja durch diese schreckliche Kapuze mit den Augenlöchern verborgen. Vielleicht war es einfach die Art, wie er auf mich reagierte: erst Erstarren, dann Zurückweichen. Eines war deutlich: Er hatte mich erkannt!
    Ich bedeutete Herrn Lennart mit einem Nicken, dass ich den gefunden hatte, den ich suchte. Sprechen konnte ich in diesem Augenblick nicht. Zu heftig war die Aufregung, die mir die Kehle zuschnürte.
    »Du bist sein Kind, nicht wahr?«, stieß der Gesichtslose plötzlich hervor. »Ich habe dich schon erwartet. Was willst du von mir? Schickt er dich?« Genau genommen war sein Sprechen eher ein undeutliches Stammeln, aber das berührte mich kaum. Welche Erleichterung: Er selbst war also nicht mein Vater! Wenn er mein Aufatmen bemerkt hat, so hat er es wohl kaum verstanden.
    »Wessen Kind?«, brachte ich heraus. »Wir müssen reden!«
    Er musterte mich schweigend. Hatte er mich nicht gehört?
    »Sonst will ich nichts von Euch«, fügte ich hinzu.
    Er machte eine unsichere Geste. »Dann komm. Meine Kammer. Da, neben der Kapelle …«
    Ich folgte ihm. Er musste vermögend sein, wenn er hier für sich allein wohnte. Zu seiner Klause gehörte sogar ein kleiner Garten, wenn er jetzt auch winterlich öde war. Als er durch die Tür trat, zögerte er kurz, dann winkte er mir zu. Bevor ich ihm folgte, scholl wieder das Gekrächze der Krähen herüber. Für mich lag immer etwas Bedrohliches darin. Der Aussätzige ließ sich stöhnend auf eine Bank sinken.
    »Was willst du also?«
    »Ich habe Fragen …«
    »Fragen! Ich weiß, was du für Fragen hast. Du willst mich quälen!«
    »Aber nein! Was fürchtet Ihr?«
    »Der Teufel schickt dich. Jeder fürchtet den Teufel!«
    »Seid unbesorgt …«
    »Unbesorgt! Ha! Als ob du

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