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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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nicht schon alles wüsstest!«
    Ich war verblüfft über die jähe Heftigkeit seiner Abwehr: »Hört mich doch an! Was glaubt Ihr denn, dass ich weiß?«
    »Die Pest an deinen Hals – Herr, verzeih mir die Sünde!«
    Es war, als ob das Wort Sünde, wiewohl er selbst es in den Raum gestellt hatte, ihn so erschütterte, dass er buchstäblich zusammenbrach. Er warf sich vor und zurück und schlug ungelenk die Arme um die Schultern, als könne er sich so vor meinem Blick verbergen. Keuchend rang er nach Atem.
    »Alles weißt du!«, stieß er hervor. »Sieben Männer. Im Verbrechen vereinigt! Fluch ihrer Tat! Der Teufel holt uns alle, und du – du bist sein Bote!«
    »Fasst Euch«, unterbrach ich ihn. Er hörte nicht.
    »Es war Sünde«, stöhnte er. »Ich weiß es. Eine schändliche Sünde von Anfang an. Der Zorn Gottes trifft uns zu Recht! Mich und die anderen. Glaube nicht, dass ich dich nicht erkannt hätte! Du bist der böse Engel des Herrn, der Würgeengel, den er gesandt hat zu unserer Strafe! Dein harmloses Äußeres kann mich nicht täuschen. Ich habe dich gleich erkannt, schon als ich dich das erste Mal sah.«
    Sein zittriger Finger streckte sich nach mir aus und zuckte hin und her, als könne er mich von sich abweisen, solange er nur sprach.
    »Zuerst habe ich es mir nicht vorstellen können. Alles schien einfach und klar. Welch mächtiger Drang im Menschen ist die Gier nach Besitz! Ich ahnte nicht, wohin das führen musste, aber dann habe ich es erlebt. Kampf! All das Blut und die Schreie, die Grausamkeit, das Sterben … erbärmlicher Tod … um was?«
    Seine Gedanken schienen abzuschweifen. Ich unterbrach ihn nicht, um ihn nicht noch mehr zu beirren. Wovon sprach er da? Was für ein Kampf? In meinem Kopf arbeitete es: Wie um Gottes willen fügten sich diese Gedankenfetzen in das Muster dessen, was ich zu ergründen versuchte? Was hatte mein Vater damit zu tun? Hielt dieser Mensch mich für das Kind des Teufels?
    Er stammelte weiter: »Die Bauern, die mit uns waren, tausend oder mehr, denen mag Gott verzeihen. Sie kämpften ums Dasein und wussten es nicht besser. Auch sie hat die Strafe getroffen, bereits wenige Tage darauf, und mit furchtbarer Wirkung. Sie haben gebüßt und sind vernichtet worden, dabei waren sie weniger schuldig als wir, die Herren!«
    Eine Pause, während er mit der Hand über das raue Holz tastet, als wolle er sich seiner Existenz vergewissern. Sprach jetzt auch er wieder von jenem berüchtigten Jahr 25?
    »Uns aber, die wir aus Habsucht gehandelt haben, uns, die wir es besser hätten wissen müssen, uns trifft die ganze Rache des Herrn … Aber warum suchst du mich heim? Bin ich nicht längst gestraft? Mich trifft es doppelt … Uns allen kann nicht verziehen werden!«
    Er ließ sich zurücksinken, und alle Kraft war von ihm gewichen.
    Was für ein wirres Muster aus schrecklichen Einzelheiten! Wie hing das alles nur zusammen?
    Da öffnete er wieder den Mund. Hör weiter zu!, dachte ich.
    Er begann ein Lied vor sich hin zu singen: »Wir wollen’s Gott im Himmel klagen, Kyrie eleison, dass wir die Pfaffen nit zu Tod soll’n schlagen, Kyrie eleison …«
    Er schien jetzt innerlich entrückt zu sein und überwältigt von den Bildern, die in ihm aufstiegen. »Der schwarze Rausch«, flüsterte er. »Das Blut auf dem Altar, der Dreschflegel zerschmettert dem Mönch den Schädel, eine Axt spaltet das Heiligenbild. Nur die Muttergottes haben sie verschont … Der Hauptmann … ach, ja, der hat gewusst, wie man einen Angriff führt, aber danach hat er nichts mehr vermocht! Da war sein Latein am Ende. Alles war, wie es dem Teufel Spaß macht … Es rennt der geköpfte Hahn und verspritzt sein Blut im Kreise. Aber glaube mir, als es so weit war, da hatten wir schon, was wir wollten …« Er sang wieder: »Heut’ ist es dein, und morgen ist es mein, Kyrie eleison, Herr erbarme dich!«
    Er schien in seinem Wahn zu versinken. Dann jedoch schreckte er auf.
    »Was starrst du mich so an?«, fragte er herausfordernd. »Gefälltdir wohl nicht, was du siehst? Es ist schon wahr: Ich bin gezeichnet! Gott hat mich geschlagen. Mene Menetekel – gewogen und zu leicht …«
    Plötzlich lachte er sinnlos. »Und das andere …«, murmelte er, »wahrlich, das geht nicht auf mich. Das haben andere getan …« Er schüttelte mürrisch den Kopf. »Schau nicht so hilflos! Du weißt genau, was ich meine … oder etwa nicht? Hat er dir denn nichts gesagt?«
    »Wer denn?«
    »Der dich schickt, dein Vater …«
    »Ich

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