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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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kenne meinen Vater nicht! Gerade ihn suche ich doch. Deshalb bin ich hier!«
    Er schien sich für kurze Zeit wieder in der Gewalt zu haben. »Es kann nicht sein. Wie kommst du hierher, wenn nicht, weil er dich schickt?«
    »Ich sah Euch im Haus Eures Bruders und erfuhr, dass Ihr hier seid. Ich suche jeden auf, von dem ich hoffe, dass er mir weiterhelfen kann.«
    »Du willst ihn erst noch finden? Lauf lieber davon!«
    » Wer ist mein Vater!«
    » Er ist an allem schuld! Ohne ihn wäre es nie geschehen. Ehrbar wirkte er und wohlgeboren. Das sind die Schlimmsten!«
    Der Graf?, dachte ich.
    »Und mein Bruder«, fuhr er fort, »wer hat den auf dem Gewissen, wenn nicht er? Mein Bruder hat mich warnen lassen, ehe er starb. Er schickt sein Kind, uns zu verderben! Das hat er mich wissen lassen: Sei auf der Hut!«
    Er redete wirr! Wie sollte ich jemals die Wahrheit finden?
    Immerhin hatte ich jetzt eine Idee von jener Verstrickung, in der mein Vater steckte: Ein grausames Verbrechen, Mord und Plünderung, jetzt ein Streit unter Komplizen. So stellt es sich dar. Und – eine rätselhafte Beute. Über die konnte ich vielleicht noch etwas mehr erfahren.
    Ich rief: »Aber so sagt mir doch klar, um Gottes willen …«
    »Du sprichst von Gott? Du meinst den Teufel! Wenn das stimmt,was du sagst, wenn er sich wirklich vor dir verbirgt, dann will er nicht gefunden werden. Dann wird er mich strafen, wenn ich es dir verrate! Vielleicht sind sie ein und derselbe: der Teufel und er!« Die linke Hand, die er bisher vor meinem Blick verborgen hatte, kroch abwehrend aus den Falten des Umhangs hervor wie ein missgestaltetes kleines Tier. Sie war mit schmutzigen Bandagen umwickelt und hatte höchstens drei Finger.
    »Der Teufel steckt in diesem Schatz … Das hab ich gleich gewusst: Ein Kind wird kommen, das trägt in sich das Ende der Welt!«
    »Wartet!«
    »Geh!«, rief er. »Rühr mich nicht an!«
    Er sackte auf der Bank in sich zusammen und rutschte zu Boden. Das Tuch über seinem Gesicht verschob sich und ließ für einen Augenblick die grässliche Entstellung des Gesichtes erkennen. Hastig verbarg er sich wieder. Er wandte sich ab und schluchzte.
    Mir klopfte das Herz bis in den Hals, aber ich durfte jetzt nicht loslassen! »Was für ein Schatz?«, fragte ich.
    »Auch das weißt du nicht? Das soll ich glauben! Du willst es hören? Ich weiß schon: Du wirst nicht gehen, solange ich es nicht gesagt habe. Dann höre es noch einmal: Das Gold ist lange verteilt, das meiste andere zu Münze gemacht. Bleibt noch das Wichtigste, das Buch, dieses verdammte, höllische Buch! Und darum geht es nun. Sechs müssen sterben, und der sie tötet, ist der siebte aus ihrem Kreis. Und der – hör meine Worte! –, er wird am Ende zur Hölle hinabfahren!« Damit krümmte er sich wie unter großen Schmerzen und versuchte, auf allen vieren meinem Blick zu entkommen.
    Ich fühlte plötzlich Mitleid. Was tust du?, durchzuckte es mich. Hast du ein Recht dazu?
    »Verzeiht mir!« Die Worte erreichten ihn nicht.
    Wieder seine Stimme: »Es kommt dir erbärmlich vor, nicht wahr? Ich stimme dir zu. Es ist erbärmlich, was aus mir geworden ist. Was ist mein Leben wert? Wovor kann sich einer wie ich noch fürchten? Was will ich noch bewahren? Lass dir sagen: Das Leben wird nicht weniger kostbar, wenn es elend ist. So erbärmlich es dirvorkommen mag! Ich will es nicht verlieren! Ich will es behalten, solange ich kann!«
    Ich konnte nichts erwidern, wandte mich ab, stolperte hinaus. Ein Summen hinter mir: »Heute mein … morgen dein …«
    Ich hätte im Boden versinken mögen.
    Gegenüber lag die Kapelle, die Tür war offen, ich ging hinein und kniete mich hin und versuchte zu beten.
    Da war ein Bild über dem Altar, halb im Schatten und teilweise durch die Kerzen mit Ruß geschwärzt: der Weltenrichter, thronend auf dem Regenbogen, eine Gestalt von bedrohlicher Majestät. Zu seinen Füßen die Auferstehung der Toten und der Kampf furchtbarer Ungeheuer gegen die Engel des Herrn … ein Kampf um jede einzelne Seele. Aber das Schlimmste war der Gottseibeiuns persönlich, der böse Feind, der, dessen Namen man besser nicht nennt. Seine grässlichen Klauen hielten ein nacktes Menschlein am Fuß umklammert, eine hilflose Figur, die verzweifelt suchte, über brennende Felsen zu flüchten.
    Du wirst nicht entkommen!, dachte ich. Niemand entkommt, den der da gepackt hat!
    Seltsam: Die Fratze der Schreckensgestalt war weggekratzt, tief durch alle Farbschichten der Malerei bis in

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