Tanz der Engel
ich, sie wegzublinzeln, doch alle drei bemerkten es.
»Dann nehmen wir die Einladung gerne an«, entschied Christopher. Trotz der Zustimmung hörte ich am Klang seiner Stimme, wie schwer es ihm fiel, zu bleiben.
Meine Mutter verbarg ihre Verwunderung darüber, nun plötzlich zwei Weihnachtsgäste zu beherbergen. Eine Überraschung, die mein Vater ihr erst beim Auspacken der Weihnachtsgeschenke eröffnete. Als sie jedoch erfuhr, wer wo die Nacht verbringen würde, warf sie ihm einen Wie-kannst-du-nur-sie-ist-erst-siebzehn-Blick zu, den er mit einem Genauso-alt-wie-du-damals-warst-Blick erwiderte.
Christopher zögerte das Zubettgehen hinaus, bis mein Vater die Initiative ergriff, Aron das Gästezimmer zeigte und meine Mutter daran erinnerte, dass sie am nächsten Morgen bei Freunden zum Weihnachtsbrunch eingeladen waren.
Christophers Hinhaltetaktik verunsicherte mich. Es war nicht unsere erste gemeinsame Nacht in einem Zimmer. Verlegen drückte ich mich im Bad herum.
Wo lag sein Problem? Seit meinem Kuss, nach dem Erstickungsanfall, wich er mir aus. Hatte er seine Meinung wieder geändert? Wollte er mich nicht? Frustriert starrte ich in den Spiegel. Vielleicht wäre es besser gewesen, ich hätte ihn gehen lassen.
Christopher brauchte noch mehr Zeit fürs Zähneputzen als ich. Wahrscheinlich hoffte er, ich würde schlafen, bis er zurückkam. Doch ich war hellwach, als er mein Zimmer betrat und es sich auf meinem meerblauen Teppich bequem machte.
»Was hast du vor?«, fragte ich, bemüht, mir meine Verunsicherung nicht anmerken zu lassen.
»Ich versuche zu schlafen – und das solltest du auch. Du hattest einen anstrengenden Tag.«
»Ja … dann … dann gute Nacht.« Ich löschte das Licht undzog mir die Bettdecke über den Kopf, damit Christopher nicht merkte, wie sehr mich seine Lüge verletzte – Engel in seinem Alter brauchten keinen Schlaf.
Am Morgen huschte ich ins Bad, um meine Augen zu kühlen. Es wäre nicht nötig gewesen, mich zu beeilen. Christopher hatte schon längst das Haus verlassen, wie Aron mir beim Frühstück verriet.
Gedankenverloren rührte ich in meiner Kaffeetasse. Racheengel waren kompliziert. Warum rannte Christopher vor mir weg? Was hatte ich jetzt schon wieder falsch gemacht?
Aron ließ mich keine Sekunde aus den Augen. Als Christopher mit Philippe und Emilia zurückkam, registrierte er jede noch so kleinste Reaktion. Selbst als Emilia mir mein Weihnachtsgeschenk gab, eine handgestrickte Mütze samt Schal, beobachtete er mich.
»Die Wolle ist von Stefano, gestrickt hab ich es. Damit du im Internat nicht frierst«, erklärte sie, als ich die Mütze aufprobierte.
»Und damit du’s nicht nur warm hast, sondern auch Italien nicht vergisst, gibt’s das hier von mir«, sagte Philippe und überraschte mich mit einer antiken Miniskulptur, die er in Rom ergattert und sicher mit Lucias Unterstützung bezahlt hatte.
Meine Weihnachtsgeschenke an meine Freunde fielen verhältnismäßig einfallslos aus, weil ich die Zeit für meine geplante Einkaufstour in einem Wattewolkenbett verbringen musste. Sie freuten sich trotzdem über die Internetgutscheine.
Da meine Eltern uns erst zum Abendessen erwarteten, zogen wir los und holten Stefano und Antonio ab, um uns mit Lucia in unserem Stammcafé zu treffen. Weder Stefano noch Philippe freuten sich über die Anwesenheit von Christophers gutaussehendem Halbbruder. Mit sicherem Gespür entschärfte Aron die Situation und berichtete glaubhaft, mit einer blonden Schönheit zusammen zu sein. Der Neid der Jungs war ihm gewiss. Offenbarwar blond das ultimative Schönheitsideal. Warum bloß, wenn auch so jemand wie Hannah dazugehörte?!
Christophers Ausweichmanöver nahm kein Ende. Am Abend half er meinen Eltern in der Küche, was Aron und mich überflüssig machte. Wir beschränkten uns auf das Tischdecken. Danach feuerte er den Kamin an und legte so viel Brennholz auf, dass er bis weit nach Mitternacht brennen würde. Ich entschied, ohne Christopher nach oben zu gehen. Warum küsste er mich nicht einfach in den Schlaf, wenn er mich loswerden wollte?
Am nächsten Morgen passte Aron mich ab. Noch bevor ich mich ins Bad verdrücken konnte, zog er mich ins Gästezimmer. Meine Augenringe verrieten, wie schlecht ich geschlafen hatte, doch anstatt mich auszufragen, nahm er mich einfach in die Arme. Früher hätte Philippe mich getröstet. Aron schaffte das auch. Aber er war nicht nur ein Ersatz für Philippe, er war mehr: ein echter Freund.
Im Laufe des
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