Tanz der Hexen
Michael. »Ich würde ihn töten, einfach so. Was bringt dich auf den Gedanken, es wü r de nicht passieren, wenn du mich verläßt?«
Emaleth sah diese Person, Michael, den Mutter liebte und V a ter nicht. Michael wohnte in New Orleans in einem großen Haus. Vater wollte wieder zurück in dieses große Haus. Er wollte es besitzen; es war sein Haus, und es erzürnte ihn zutiefst, daß dort jetzt Michael wohnte. Aber er wußte, er mußte sich gedulden. Emaleth mußte zu ihm kommen, groß und stark. Erst mußte der Anfang sein. Er wollte, daß sie im Glen von Donnelaith zusammenkamen. Der Anfang war alles. Es gab nichts, wenn es keinen Anfang gab.
Gedeihe, meine Tochter.
Taltos.
Niemand wohnte mehr in Donnelaith. Aber sie beide würden dort wohnen, Vater und Emaleth, und ihre Kinder. Hunderte von Kindern. Es würde der Tempel des Anfangs sein. »Unser Bethlehem«, flüsterte er ihr zu. Und es wäre der Anfang aller Zeit.
Es war dunkel. Mutter weinte ins Kopfkissen. Michael, Michael, Michael.
Emaleth wußte, daß die Sonne aufging.
Alles um sie herum wurde heller, und sie sah Mutters Hand hoch über sich, dunkel und schmal und unermeßlich, und sie bedeckte die ganze Welt.
2
Im Haus war es jetzt ganz dunkel. Die Autos waren fort, und nur in Michael Currys Fenster brannte noch ein Licht, in dem alten Zimmer, in dem Cousine Deirdre gestorben war. Mona begriff genau, was heute abend geschehen war, und sie mu ß te zugeben, daß sie froh war. Fast hatte sie es geplant, fast…
Ihrem Vater hatte sie gesagt, sie würde mit Onkel Ryan und Cousine Jenn und Clancy nach Metairie zurückfahren. Aber Onkel Ryan war längst weg und hatte wie jedermann ang e nommen, daß Mona mit ihrem Vater nach Hause in die Amelia Street gehen würde, was sie freilich nicht getan hatte.
Sie war auf dem Friedhof gewesen und hatte die Wette verloren, daß David es nicht gleich an Ort und Stelle mit ihr tre i ben würde, am Abend des Mardi Gras, vor dem Mausoleum der Mayfairs. David hatte es getan. Nicht besonders toll, eh r lich gesagt, aber für einen Fünfzehnjährigen nicht übel. Und Mona hatte es genossen – sich mit ihm zu verdrücken, und dann seine Angst und ihre Erregung zu spüren, wie sie z u sammen die weißgestrichene Friedhofsmauer hinaufgeklettert und durch die Gassen zwischen den hohen Marmorgrabm ä lern dahingeschlichen waren. Sich in klammer Kälte auf den Kiesweg zu legen, war kein unbedeutender Teil dieser Mu t probe gewesen, aber sie hatte es getan, hatte den Rock unter sich glattgestrichen, damit sie den Slip herunterziehen konnte, ohne sich schmutzig zu machen. »Jetzt mach schon!« hatte sie zu David gesagt, aber der hatte zu diesem Zeitpunkt schon keine weitere Ermutigung oder direkte Anweisung mehr nötig gehabt. Sie hatte an ihm vorbei in den kalten, bewölkten Hi m mel hinaufgestarrt, zu dem einzigen sichtbaren Stern, und dann hatte sie den Blick an der Wand mit den kleinen, rech t eckigen Grabplatten bis zu dem Namen hinaufwandern la s sen: Deirdre Mayfair.
Dann war David fertig gewesen. Einfach so.
»Du hast vor gar nichts Angst«, hatte er hinterher gesagt.
»Als ob ich vor dir Angst haben müßte, wie?« hatte sie gemeint. Unbefriedigt, wie sie war, hatte sie nicht mal so getan, als habe es ihr Spaß gemacht; sie konnte ihren Cousin David eigentlich nicht mal besonders gut leiden, aber sie war doch zufrieden, daß es geschehen war.
Mission ausgeführt, würde sie später in ihren Computer schreiben, in das geheime Verzeichnis /WS/MONA/AGENDA, wo sie alle ihre Triumphe verzeichnete, die sie mit niemandem auf der Welt teilen konnte. Niemand konnte ihr Computersystem knacken, nicht mal Onkel Ryan oder Cousin Pierce, die sie beide schon verschiedentlich dabei erwischt hatte, wie sie das Gerät eingeschaltet und die verschiedenen Directories durchsucht hatten.
Ja, dies war ein Augenblick, bei dem nur der Computer Zeuge sein würde. Vielleicht würde so etwas jetzt regelmäßig passieren, wo Vater und Mutter sich nun wahrhaftig zu Tode tranken. Und es gab so viele Mayfairs zu erobern. Ja, in diesem A u genblick enthielt ihre Liste noch nicht einmal irgendwelche Nicht-Mayfairs, mit Ausnahme von Michael Curry natürlich, aber der war ja jetzt ein Mayfair, ganz entschieden. Die ganze Familie hatte ihn in den Klauen.
Michael Curry allein in diesem Haus. Bestandsaufnahme: Es war der Abend von Mardi Gras, zweiundzwanzig Uhr, drei Stunden nach der Comus-Parade, und Mona Mayfair stand allein an der Ecke First
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