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Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03

Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03

Titel: Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Douglass
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sein, aber das Wiedersehen mit ihrem Sohn, den sie so lange für tot gehalten hatte, hatte eine tiefe Wunde in ihrem Herzen geschlossen. Rivkah verbrachte jeden Tag einige Stunden mit Aschure, um sie in die Sitten und Gebräuche der Vogelmenschen einzuweihen. Und wenn die junge Frau nicht glauben konnte, wie locker hier mit Moral umgegangen wurde, neckte Rivkah sie unbarmherzig.
    »Ihr seid hier bereits heiß begehrt, junge Ebenenläuferin«, hatte sie noch heute morgen gesagt. »Mit Eurem rabenschwarzen Haar und Euren geheimnisvollen rauchdunklen Augen habt Ihr so manchem Vogelmann schon den Kopf verdreht. Glaubt Ihr, Ihr könnt bis zum Beltidenfest durchhalten, ohne in den Flügeln eines Verehrers zu landen?«
    Aschure war rot geworden und hatte rasch den Kopf zur Seite gedreht. Und voll Unbehagen daran gedacht, wie Sternenströmer sie seit einiger Zeit ansah. Das Letzte, was sie wollte, war, zwischen Rivkah und ihrem Mann zu stehen. Axis’ Mutter hatte sich doch solche Mühe gegeben, ihr die Mutter zu ersetzen, die sie in so jungen Jahren verloren hatte. Aschure konnte sich nicht daran erinnern, früher nicht mehrmals nachts mit tränenfeuchten Wangen aufgewacht zu sein. Erst hier im Krallenturm hatte sie gelernt, tief und fest zu schlafen. Auch die bösen Träume, die sie zwanzig Jahre lang geplagt hatten, waren in der Heimstatt der Ikarier verschwunden.
    Mit einem Mal wurde die junge Frau sich bewußt, daß sie sich während der letzten fünf oder sechs Wochen eigentlich immerfort wohlgefühlt hatte. Nie zuvor war sie so wie hier von allen angenommen worden. Und mehr noch, die Ikarier schienen sie nicht nur zu akzeptieren, sondern sogar zu mögen.
    Aschure nickte einem Vogelmenschen zu, der über ihr hinwegflog, und ihre Gedanken kehrten zu Abendlied zurück. Bislang hatte die junge Frau sich allem Drängen widersetzt, sich der Luftarmada anzuschließen und sich im Waffengebrauch zu üben. Zu tief saß in ihr die Furcht, dem Hang zur Gewalttätigkeit nachzugeben, den die Awaren ihr unterstellten. Aschure zitterte bei der Erinnerung daran, wie sie einen Pfeil ergriffen, ihn ihrem ersten Skräling ins Auge gebohrt und ihn getötet hatte. Damals konnte sie an nichts anderes mehr denken, als diesen Angreifer umzubringen. Vielleicht taten die Waldläufer ja gut daran, ihr mit einigem Vorbehalt zu begegnen.
    Aber nun hatte sie zugesagt. Axis hatte vollkommen recht: Sie mußte ihren eigenen Weg finden. Und wenn er nicht frei von Gewalt war, mußte sie sich wohl damit abfinden, das annehmen, was in ihr steckte und sich damit Achtung verschaffen und keine Vorwürfe einhandeln.
    Sie bog nach links ab und lief leichtfüßig die Stufen hinunter. Ihre beschwingte Art bewegte einen Vogelmann, der über ihr flog, dazu, ihr so lange nachzuschauen, bis sie den Schacht weiter unten verließ und in einem der Gänge verschwand.
    Abendlied hatte sich einen Lederriemen um die Stirn gebunden, um sich den Schweiß aus den Augen zu halten. Am Tag nach Jultide war die junge Vogelfrau fünfundzwanzig geworden und gleich der Luftarmada beigetreten, um ihren fünfjährigen Wehrdienst abzuleisten.
    Axis’ Schwester stöhnte gerade, als sie von ihrem Gegenüber einen Hieb einstecken mußte. Schwitzen gefiel ihr ganz und gar nicht, und sie sehnte sich nach einem entspannenden Bad in der Kammer des Dampfenden Wassers. Früher hatte sie sich darauf gefreut, Luftkämpferin zu werden, aber eigentlich nur aus dem Grund, diese Jahre Seite an Seite mit ihrem Vetter Freierfall verbringen zu können. Die beiden waren nur zwei Monate auseinander gewesen und zusammen aufgewachsen. Sie hatten sich sehr gut verstanden, alles gemeinsam getan und sich oft überlegt, wie es wohl sein würde, wenn Freierfall seinem Vater nachfolgen und neuer Krallenfürst werden würde. Bei den Ikariern galt es nicht als ungehörig, mit Verwandten intime Beziehungen zu pflegen und untereinander zu heiraten. Folglich waren sich Freierfall und Abendlied bereits mit dreizehn Jahren sehr nahe gekommen.
    Den beiden jungen Leuten wäre im Traum nicht eingefallen, daß Freierfall auf solch entsetzliche Weise sein viel zu frühes Ende finden könnte. Abendlied beweinte ihren Geliebten und Freund Tag für Tag – und sie grämte sich auch über die Aussicht, den Rest ihres Lebens allein verbringen zu müssen.
    Ihr Gegner bei der Waffenübung, Staffelführer Dornfeder, schob jetzt seinen Wehrstab unter ihre Deckung und verpaßte ihr einen harten Schlag auf die Rippen. Sie ließ ihre

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