Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
Waffe fallen, sank auf die Knie und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Seite.
»Paßt beim nächsten Mal besser auf«, fuhr er sie verärgert an. »In einer Schlacht, ja selbst bei einer Wirtshausschlägerei wärt Ihr jetzt schon tot! Wir können es uns nicht erlauben, noch ein Mitglied des Hauses Sonnenflieger zu verlieren.«
Abendlied starrte ihn mit funkelnden Augen an, während sie sich die Rippen hielt. »So wie Ihr Freierfall verloren habt?« Dornfeder war mit ihrem Vetter und Suchauge losgeflogen, um Axis auf dem Turm der Feste Gorken zu treffen. Doch ihr Einsatz endete in einer Tragödie, als Bornheld hinzugekommen war und Freierfall mit dem Schwert durchbohrt hatte.
Der erzürnte Staffelführer packte sie an ihren kurzen Locken und zog sie hoch, bis sie wieder auf den Beinen stand. Abendlied bäumte sich vor Schmerz auf und versuchte, sich zu befreien. Aber Dornfeder hielt sie mit eisernem Griff fest.
»Freierfall besaß den Mut, Abendlied, sich dem Leben zu stellen, auch wenn ihn das in den Tod führte. Denkt nur daran, wie wenig es ihn erfreuen würde, wenn er mitansehen müßte, wie Ihr nach seinem Einsatz alle Freude am Leben verloren habt.«
Die zehn anderen Mitglieder der Staffel stellten ihre Übungen ein und beobachteten die beiden mit betroffener Miene. Seit der Katastrophe am Erdbaum hatte der Drill deutlich an Ernst zugenommen. Wo einst Spaß und Freude die Waffenübungen begleitet hatten, beherrschte nun die Erwartung eines früher oder später anstehenden Kampfes mit Gorgraels Scharen die Gedanken aller.
Dornfeder ließ die junge Ikarierin los, trat einen Schritt zurück und sah seine Truppe streng an. Er galt als erfahrener Staffelführer, aber in diesen schwierigen Zeiten machte ihm seine große Verantwortung schwer zu schaffen. Und gleich, was Abendlied denken mochte, Tag für Tag machte Dornfeder sich bittere Vorwürfe, damals nicht wachsam genug gewesen zu sein und Freierfall womöglich gerettet zu haben. Die junge Ikarierin schien seit dem Tod ihres Freundes und Vertrauten nicht mehr so recht bei der Sache zu sein. Dornfeder wußte, daß im Kampf schon die Unachtsamkeit eines einzigen seiner Soldaten die ganze Staffel ins Unglück stürzen konnte.
Als wären Abendlieds Vorwürfe nicht schon genug Belastung für sein Kommando, mußte er auch noch feststellen, daß alle in der Luftarmada übernervös waren und oft mit den Gedanken ganz woanders zu sein schienen. Das lag sicher nicht allein an der Katastrophe während der Jultidenfeiern am Erdbaum oder an der Aussicht, über kurz oder lang gegen Gorgrael in die Schlacht ziehen zu müssen. Vom dienstältesten Offizier, Geschwaderführer Weitsicht, bis zum unerfahrensten Rekruten war sich jeder in der Truppe nur zu sehr des Umstands bewußt, daß sich der Sternenmann im Krallenturm aufhielt. Die große Ratsversammlung der Vogelmenschen hatte dem Wunsch Sternenströmers zugestimmt, seinem Sohn in der Feste Gorken beizustehen. Dies sicher aus der Erkenntnis heraus, daß die Ikarier nach tausendjährigem Frieden nun einen erprobten General, der über Kriegserfahrung verfügte, gut gebrauchen konnten.
Doch nun, da Axis, der Sternenmann und ehemalige Axtherr – also der Anführer der Truppe, die in großem Maße für das tausendjährige Exil der Vogelmenschen verantwortlich war –, unter ihnen weilte, hatte er noch keine besondere Neugier an der Luftarmada gezeigt. Mochte sich Dornfeder, oder jeder andere in den ikarischen Streitkräften, auch noch so sehr einreden, daß der junge Mann viel zu sehr damit beschäftigt war, von seinem Vater die Zauberkünste zu erlernen, traf seine Mißachtung den Luftkämpfer doch tief. Wann würde Axis sich endlich einmal in den Übungshallen zeigen? Wann würde er geruhen, die Parade der Luftarmada abzunehmen? Und was würde der Sternenmann sagen, wenn er die Luftkämpfer bei der Ausbildung sah? Würde er sie loben oder mit beißendem Spott überfallen? Und was würde er in Wahrheit von ihnen halten?
Der Staffelführer wollte die heutigen Übungsstunden schon beenden, als ihm aus dem Augenwinkel eine Gestalt auffiel. Aschure stand oben auf der Galerie und beobachtete die Soldaten mit düsterer Miene.
»Aschure!« rief Abendlied, und Dornfeder hoffte, daß sie sich nun darüber schämte, von der Freundin bei ihrer miserablen Leistung gesehen worden zu sein.
»Ich möchte nicht stören«, erklärte die Ebenenläuferin höflich, »und hoffe, Eure Konzentration nicht beeinträchtigt zu haben.
Weitere Kostenlose Bücher