Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
Wenn doch, so will ich mich dafür entschuldigen.« Die junge Frau hatte seit ihrer Ankunft rasch gelernt, wie sehr die Ikarier Höflichkeit und richtige Etikette zu schätzen wußten. Zwei Vogelmenschen konnten noch so sehr in Streit geraten, keinem von ihnen würde es einfallen, auch nur die Stimme zu heben oder ein unverschämtes Wort zu verlieren. Die Szene, die Aschure eben mitverfolgt hatte, gehörte zu den Ausnahmefällen und bewies nur, welche innere Spannung in der Luftarmada herrschte.
»Ich habe mich entschlossen, Dornfeder, Euer Angebot wahrzunehmen und mich im Gebrauch von Pfeil und Bogen unterweisen zu lassen.«
Der Staffelführer breitete die Schwingen aus, um anzuzeigen, wie sehr er sich darüber freute. »Seid uns willkommen. Und ich bedaure, daß meine Truppe sich heute nachmittag nicht in Bestform zeigt.«
Abendlied errötete.
Dornfeder beachtete sie nicht. »Sowohl meine ganze Staffel als auch ich würden uns geehrt fühlen, Euch in unseren Reihen zu wissen, Aschure. Uns allen hat Euer unglaublicher Mut am Erdbaum imponiert, und die Familie Sonnenflieger ist Euch mehr als alle anderen zu Dank verpflichtet.« Noch eine Spitze gegen Abendlied. Dornfeder schien wirklich wegen ihrer mangelnden Leistungsbereitschaft verärgert zu sein.
Die junge Ebenenbewohnerin stieg die Leiter hinunter, zog die Stiefel aus und trat dann durch die große Übungshalle zur Staffel. Weiche Matten bedeckten den ganzen Boden, und von der hohen Decke hingen buntbemalte Kugeln, die beim Bogenschießen als Zielscheibe dienten. Entlang den Wänden standen Schränke, in denen Waffen und anderes Gerät aufbewahrt wurden.
»Ich bin wohl nicht so richtig für einen Kampf angezogen, Dornfeder. Bitte verwechselt mich nicht mit einer Zielscheibe«, spottete Aschure und zeigte auf ihre awarische Kleidung. Alle Ikarier im Raum, sowohl Männer wie Frauen, trugen nur einen Lendenschurz und einen leichten Lederpanzer, der allerdings nicht vor festeren Hieben schützte. Alle Luftkämpfer schwitzten nach dem harten Drill, und der jungen Frau fiel auf, daß etliche von ihnen an den ungeschützten Armen und Beinen blaue Flecke und Hautabschürfungen davongetragen hatten. Und überall lagen Federn herum.
»Man würde mich in hohem Bogen aus dem Krallenturm werfen, wenn ich es wagen würde, einen Pfeil auf einen Gast zu schießen, dazu auch noch auf einen so hochgeschätzten«, entgegnete der Staffelführer und wandte sich dann an einen seiner Untergebenen: »Treuflug, würdet Ihr bitte den Wolfenbogen aus dem Schrank holen? Und dazu einen Köcher voller Pfeile?« Er sah erhobenen Hauptes geradeaus und beachtete nicht, wie seine Soldaten wie ein Mann den Atem anhielten.
Aschure verfolgte neugierig, wie Treuflug mit einem wunderschönen Bogen und etlichen Pfeilen zurückkehrte und sie dem Staffelführer überreichte. Der warf sich gleich den Köcher über die Schulter.
»Als Vogelmenschen verspüren wir natürlich eine starke Wesensverwandtschaft zu allen fliegenden Waffen«, erklärte Dornfeder, während er einen Pfeil auf die Sehne legte. »Seht her.«
Mit einer einzigen Bewegung und so rasch, daß Aschure ihm kaum mit den Augen folgen konnte, hob der Staffelführer den Bogen, zielte und schoß. Der Pfeil sauste nach oben und blieb in einem kleinen dunkelroten Ball stecken, der sechzehn Meter über ihren Köpfen hing.
»Die Geschichten über Eure Fähigkeiten als Schütze sind noch untertrieben, Dornfeder«, sagte Aschure. »Darf ich es einmal versuchen?« Der Bogen wirkte ebenso elegant wie ausbalanciert, und die junge Frau konnte seiner Anziehungskraft nicht widerstehen.
Der Staffelführer betrachtete sie. Der Mann, der diesen besonderen Bogen geschaffen hatte, war seit über tausend Jahren tot, und es hieß, nur er habe ihn richtig gebrauchen können. Die Ikarier besaßen als Flugwesen sehr starke Brust- und Rückenmuskeln. Dornfeder bezweifelte daher, daß Aschure trotz ihrer Größe und ihrer guten körperlichen Verfassung überhaupt die Sehne eines normalen ikarischen Bogens spannen konnte, ganz zu schweigen von diesem.
Aber was konnte ihr diese Erfahrung schon schaden? Er zog einen weiteren Pfeil aus dem Köcher und reichte ihn Aschure zusammen mit dem Bogen. Der Langbogen, der aus verblüffend leichtem elfenbeinfarbenen Holz angefertigt war, wies vergoldetes Schnitzwerk und blaue und violette Bänder auf. Eine ebenso schöne wie tödliche Waffe.
»Hier«, begann der Staffelführer und zeigte ihr, wie sie die Hände
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