Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
lebendig begraben. Und jetzt habe ich das Gefühl, als kämpfte ich mich langsam an die Oberfläche. Aber es ist noch so weit bis dahin. Jeder Tag, den ich nicht in meinem Heimatdorf verbringen muß, jede neue Erfahrung bringt mich ein Stück weiter und weckt mich mehr aus meiner geistigen Erstarrung. Ihr habt recht, ich muß für mich einen neuen Weg finden.«
Aschure lachte plötzlich, und ihre gute Laune kehrte zurück. »Wie froh ich bin, nicht auch solch ein ikarischer Zauberer wie Ihr zu sein, den man zu heldenhaften Taten auserkoren hat. Das wäre eine zu große Last für mich.«
Axis aber wandte sich mit undurchdringlicher Miene von ihr ab. »Ich bin doch kein Held.«
Die junge Frau senkte den Blick auf die Blüte, die sie immer noch in den Händen hielt. Wenn ihr Freund sich seiner selbst ebenfalls unsicher war, konnte sie ihm deswegen keine Vorwürfe machen. Kein Tag verging, an dem der ehemalige Axtherr nicht die Männer beweinte, die um seinetwillen gestorben waren. Und die Vorstellung erfüllte ihn mit der größten Furcht, daß noch weitere seinetwegen in den Tod gehen müßten. Und es quälte ihn sehr, daß seine Schwester ihm die Schuld am Tod seines Vetters Freierfall gab.
»Grämt Euch nicht wegen Abendlieds Vorwürfen. Sie hat sich noch nicht mit dem Tod von Freierfall abfinden können. Und ihr Kummer sucht sich einen Sündenbock.«
Der Krieger wußte sehr gut, daß Abendlied ihn aus viel mehr Gründen ablehnte, als nur dem, den Tod seines Vetters nicht verhindert zu haben. Ihr fiel es noch schwer, sich daran zu gewöhnen, jetzt einen älteren Bruder zu haben. Und dazu noch einen, der die Anlagen des Vaters voll und ganz geerbt hatte. Früher hatte die ganze Aufmerksamkeit Sternenströmers seiner Tochter gegolten, und jetzt war sie eifersüchtig, weil ihr Vater jede freie Stunde mit seinem Sohn verbrachte. Abendlied konnte kaum verstehen, warum Sternenströmer jetzt Axis soviel Zeit widmete.
Welch glückliche Fügung, dachte Axis, daß Aschure zugegen war und Abendlied eine Gefährtin sein wollte. Schließlich genoß er ja selbst ihre Freundschaft und ihr Verständnis, mit dem sie ihm half, Ordnung in sein neues Leben zu bringen und sich an seine Zauberkräfte zu gewöhnen. Rivkah gab sich natürlich auch Mühe, beruhigend auf Abendlied einzuwirken. Aber wenn Aschure nicht gewesen wäre, hätte sich Sternenströmers Familie sicher aufgelöst oder sich gegenseitig bekämpft.
»Die Sonnenflieger sind schon ein Völkchen, mit dem sich schwer leben läßt«, meinte er schwermütig und stützte das Kinn auf eine Hand.
»Das kann man von allen Ikariern sagen«, bemerkte Aschure und blickte in die Ferne. »Wenn es um Leidenschaften geht, sind sie unübertroffen, aber von Freundschaft verstehen sie leider nur wenig.«
Axis betrachtete sie nachdenklich. Diese junge Frau aus Smyrdon war klüger als so viele andere, die bereits ein Leben voller Studien oder im diplomatischen Dienst hinter sich hatten. Woher hatte Aschure diese Menschenkenntnis? Gewiß nicht von ihrem Vater. Hagen war so sensibel wie ein Sack Gerste gewesen. Vielleicht von ihrer Mutter? Aber nach allem, was Axis über die Frauen von Nor wußte, kümmerten sie sich vornehmlich um fleischliche Freuden und sonst um sehr wenig. Und die beklagenswert unwissenden Dorfbewohner hatten sicher auch kaum etwas zu der inneren Tiefe der Erkenntnisse beigetragen, die diese junge Frau immer wieder offenbarte.
Aschure rutschte unter seinem Blick nervös hin und her. Diese hellblauen Augen schienen bis tief in ihre Seele schauen zu können. Um sich davon zu befreien, sprach sie das erste aus, das ihr gerade in den Sinn kam.
»Denkt Ihr viel an Faraday? Sorgt Ihr Euch darum, ob es ihr gut geht?« Sofort bereute die junge Frau, nicht an sich gehalten zu haben.
Denn der Krieger erstarrte, und Aschure bemerkte, wie er sich von ihr zurückzog. Axis sprach nur selten von Faraday, aber dennoch wußte Aschure, daß sie ständig seine Gedanken beherrschte.
Die junge Frau suchte nach einer Möglichkeit, die Kluft zwischen ihnen zu überbrücken. »Wißt Ihr, ich habe sie gesehen. Bei der Jultidenfeier. Faraday vereint außerordentliche Schönheit mit bewundernswertem Mitgefühl und großer Selbstlosigkeit. Da wundert es einen wenig, wenn Ihr sie so sehr liebt.«
»Ihr habt sie gesehen? Wie und bei welcher Gelegenheit?«
»Hat Sternenströmer Euch nicht berichtet, daß er mit ihrer Hilfe während des Angriffs der Skrälinge den Erdbaum aus seinem Schlaf
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