Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
noch. »Jack, ich komme gerade aus Gorken und habe fürs erste genug von Skrälinghorden, die uns belagern. Wer sagt mir, daß die Geister nicht auch hier anrücken und Sigholt in einem festen Ring umlagern, sobald ich mit meiner Truppe dort eingezogen bin? Mich drängt es nicht sonderlich danach, schon wieder belagert zu werden.«
»Ich verstehe Eure Sorge«, erwiderte der Wächter, »aber es gibt einige gute Gründe dafür, warum die Skrälinge lieber ein paar Meilen Abstand zu Sigholt halten. Sie haben Hsingard zerstört, das sich nicht weit von hier entfernt befindet. Glaubt Ihr nicht, daß sie Sigholt gleich in einem Aufwasch mit erledigt hätten, wenn nicht etwas sie daran gehindert hätte?«
»Und was sollte das sein?«
»Folgt mir, und bringt Eure Armee mit. Ich werde Euch eine lange Geschichte erzählen.«
6 N EUE P FLICHTEN UND ALTE F REUNDE
Axis stand am offenen Fenster und verfolgte, wie zwei Staffeln ikarischer Luftkämpfer wie ein diszipliniertes Ballett durch die Luft wirbelten und sich um die eigene Achse drehten. Eine sehr schöne Zurschaustellung von Anmut und Grazie, aber militärisch vollkommen sinnlos.
Der Krieger seufzte und wandte sich vom Fenster ab. Weiches Licht strahlte verhalten aus Deckenleuchten auf einen massiven runden Tisch aus hochglanzpoliertem dunkelgrünem Stein, der den geräumigen Ratssaal zu beherrschen schien. Die Wahlsprüche der verschiedenen Krallenfürsten waren in der zierlichen ikarischen Schrift über den Bannern und Standarten an den Wänden angebracht.
An diesem Tisch hatten die zwölf Geschwaderführer der Luftarmada Platz genommen, und ihre Schwingen ruhten anmutig auf dem glänzenden Boden hinter ihren hohen Stühlen. Jeder Geschwaderführer befehligte zwölf Staffeln, und die wiederum setzten sich aus einem Dutzend Luftkämpfer zusammen. Dieser Streitmacht gehörten also insgesamt siebzehnhundertachtundzwanzig Soldaten an. Nicht gerade eine beeindruckende Armee, dachte Axis, aber ihre Flugfähigkeit sollte ihnen eigentlich einige Vorteile über Bodentruppen verschaffen. Nur zweifelte der Krieger deutlich an der Kampfkraft der Luftarmada. Die Vogelmenschen verstanden sich eher auf Luftkapriolen als darauf, einen Feind zu bezwingen.
Er betrachtete die Offiziere am Tisch. Alle hatten ihre Flügel zum Zeichen, daß sie sich im Krieg befanden, schwarz gefärbt, und jeder starrte ihn aus harten Augen an. Auch er war in Schwarz erschienen, und genau diese Farbe hatte er als Axtherr getragen. Nur trug er heute nicht mehr das Emblem der gekreuzten Axt an der Brust. Ohne sein Rangabzeichen fühlte er sich immer noch etwas nackt.
Rabenhorst saß ebenfalls am Tisch und hatte den juwelenbesetzten Halsschmuck angelegt, das Zeichen seiner Herrscherwürde. Seine schwarzen Brauen standen in exakt gleichem Winkel über seinen scharf blickenden Augen. Er hatte die Kommandeurssitzung einberufen, damit die Befehlshaber sich mit Axis austauschen konnten. Weitsicht, der dienstälteste Geschwaderführer, hatte den Krieger eben mit einer gelungenen Rede willkommen geheißen. Alle warteten nun darauf, daß Axis mit ebenso wohlgesetzten Worten antwortete. Bis es so weit war, wußte niemand so recht, was er sagen sollte.
Schließlich beendete Axis das unangenehme Schweigen. »Ihr besitzt eine Streitmacht mit einigem Potential. Aber ich muß den Oberbefehl über sie erhalten, um sie in eine schlagkräftige Truppe verwandeln zu können.«
Alle in der Runde strafften jetzt ihre Gestalt, und Flügelspitzen raschelten nervös über den Boden. Der Krieger lief um den Tisch herum, sah dabei jeden einzelnen Offizier an und fuhr dann mit ebenso leiser wie eindringlicher Stimme fort: »Glaubt hier vielleicht jemand, diese Luftarmada könne in ihrem gegenwärtigen Zustand Gorgrael in irgendeiner Weise gefährlich werden?«
Einige protestierten murrend, aber Axis ging gar nicht darauf ein. »Gut, Ihr besitzt eine eigene Streitmacht. Aber was hat sie denn vorzuweisen? An Leistungen, an Kämpfen, an Kriegserfahrung?« Er schwieg für einen Moment. »Mit welchen Siegen kann sie sich schmükken?«
Geschwaderführer Scharfauge schob seinen Stuhl zurück und erhob sich. »Wollt Ihr uns etwa als Versager bezeichnen, Axtherr?« zischte er und stellte verärgert die Halsfedern auf.
Daß er Axis mit seinem alten Titel anredete, zeigte nur zu deutlich, wie sehr ihm in dieser Runde mißtraut wurde. Tausend Jahre lang hatten das Amt des Axtherrn und sein Träger unter den Ikariern wie den Awaren
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