Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
»Willkommen im Hause Sonnenflieger. Ihr seid ein mächtiger Zauberer, Enkel, und Erbe des Throns. Ich bin stolz auf Euch. Fliegt weit und hoch.«
Hellefeder flüsterte ihm ebenfalls ein paar herzliche Worte zu, und dann sah Axis sich von den Armen seiner Mutter umschlungen. Er spürte ihr nasses Gesicht an seiner Wange.
»Ich weine vor Glück, mein lieber Sohn«, sagte sie, »und weil ich vor meinem Ende noch miterleben durfte, wie Ihr Euer Erbe mit ganzem Herzen angetreten habt. Willkommen unter den Sonnenfliegern.«
Axis hielt sie ebenfalls fest, ließ seinen Tränen freien Lauf und wünschte, er hätte ihre Liebe und Unterstützung ein Leben lang genießen dürfen und nicht nur während der letzten paar Monate.
Endlich ließ Rivkah von ihm ab und machte Abendlied Platz.
Diese legte ihm die Hände auf die Schultern und küßte ihn leicht. »Als Ihr zu uns kamt, war ich nicht sehr freundlich zu Euch«, flüsterte sie. »Bitte vernehmt mein Bedauern darüber, daß ich Euch nicht herzlicher in dieser Familie willkommen geheißen habe. Ich habe mich schlecht benommen und bitte dafür um Entschuldigung. Willkommen im Hause Sonnenflieger, Bruder.«
Der Krieger strich ihr über die Wange. »Dazu besteht kein Anlaß, Abendlied, weiß ich doch um Euren Kummer … Freierfalls letzte Worte und Gedanken galten Euch. Vergeßt nie, wie ehrlich er Euch geliebt hat.«
Abendlied zuckte ein wenig zusammen und sah ihn ausdruckslos an, während sie mit den Tränen kämpfte. Selbst nach so vielen Monaten schmerzte es sie immer noch, von ihrem Geliebten zu hören.
»Eines muß noch getan werden, ehe wir uns in die Versammlungshalle begeben«, verkündete Rabenhorst nun, »obwohl diese Aufgabe mir das Herz bricht.« Er breitete die Arme aus. »Sternenströmer, Rivkah, tretet zu mir.«
Als sie vor ihm standen, nahm er beide an die Hand. »Seid Ihr Euch darin vollkommen sicher?«
Axis’ Mutter nickte. Ihr Entschluß stand fest. »Ja, Rabenhorst, es muß sein.«
Sternenströmer schwieg.
»Vor vielen Jahren gehörte es zu meinen Vorrechten«, begann der Fürst nun, »den Ehebund zwischen Euch zu schließen und Zeuge Eurer Schwüre zu sein. Nun habt Ihr in gegenseitigem Einvernehmen beschlossen, diese Schwüre aufzuheben.« Er ließ die Hände der beiden los, eine symbolische Geste, die ihm sichtlich schwer fiel. »Eure Ehe ist hiermit gelöst, Sternenströmer und Rivkah. Nutzt Eure neue Freiheit weise.«
Niemand der Anwesenden zeigte sich tatsächlich überrascht. Die Eltern hatten ihre Kinder schon vorher von ihrem Entschluß in Kenntnis gesetzt. Die wahre Tragödie besteht darin, dachte ihr Sohn, daß Liebe und Leidenschaft, diese beiden Kräfte, die das Leben von vielen verändern und ganze Länder umzustürzen vermochten, so einfach aufhören konnten.
»Ich habe Euch geliebt, Rivkah«, sagte Sternenströmer leise. »Vergeßt das bitte nicht.«
»Und ich habe Euch geliebt, Sternenströmer, aus tiefstem Herzen und mit ganzer Seele. Vergeßt das bitte auch nicht.«
Rabenhorst legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ihr seid und bleibt stets eine Sonnenflieger. Der Krallenturm wird immer Eure Heimat sein, so lange Ihr möchtet. Nur weil Ihr die Ehe mit Sternenströmer gelöst habt, seid Ihr gewiß nicht aus dieser Familie ausgestoßen.«
Rivkah nickte. »Danke, Rabenhorst. Das waren sehr liebe und freundliche Worte von Euch … Ich möchte bis Beltide bleiben, mit Euch das Fest feiern und danach für eine Weile nach Achar zurück. Ich weiß nicht, wie lange ich mich dort aufhalten und ob ich dort eine neue Heimstatt bei den Menschen finden werde.«
»Nun kommt«, forderte der Fürst seine Familie auf, »ich höre schon, wie sich die Versammlungshalle füllt. Höchste Zeit für uns, die Amtsroben anzulegen. Axis soll schließlich heute vor sein Volk treten.«
Der Krieger lebte seit nunmehr gut drei Monaten unter den Vogelmenschen, hatte aber noch nie an einer ihrer Versammlungen teilgenommen. Während der ersten Wochen hatte er fast in jeder Stunde mit Sternenströmer und Morgenstern seine zauberischen Fähigkeiten vervollkommnet und dabei kaum Zeit für etwas anderes gefunden. Und danach hatte er sich so sehr um die Luftarmada gekümmert, daß er niemand anderen zu Gesicht bekommen hatte.
Auch wenn der größte Teil des ikarischen Volkes noch auf eine Gelegenheit wartete, Axis endlich kennenzulernen und sich eine Meinung über ihn zu bilden, hatte doch schon jeder die Gerüchte gehört, die sich im ganzen Krallenturm
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