Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
aus.
Rabenhorsts Blick fiel wieder auf seinen Neffen. Alles in ihm sehnte sich nach seinem Sohn, aber Freierfall würde nie zurückkehren. Trotz seines Schmerzes über diesen Verlust und auch trotz seiner Weigerung, Axis zu seinem Erben zu bestimmen, wußte er natürlich nur zu gut, daß ihm gar nichts anderes übrigblieb. Sein Bruder Sternenströmer wäre als Fürst eine vollkommene Fehlbesetzung. Axis hingegen mochte zwar kein reiner Ikarier sein – er hatte noch nicht einmal Flügel –, aber er verstand wenigstens zu führen.
Der Ärger auf seiner Miene verging schließlich, und er wandte sich an den Zauberer: »Sternenströmer, ruft unsere Frauen und Abendlied. Sie sollen erscheinen, damit alle Mitglieder des Hauses Sonnenflieger bezeugen können, was ich heute tun werde.«
Sein Bruder folgte dieser Aufforderung gern, und wenig später betraten Rabenhorsts Gattin Hellefeder und nach ihr Rivkah und ihre Tochter Abendlied den Raum.
Sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, schritt der Fürst auf Axis zu, legte ihm seine Hände an die Wangen und küßte ihn auf den Mund.
»Als Haupt des Hauses Sonnenflieger und als Krallenfürst heiße ich Euch, Neffe, der so lange verloren war, nicht nur im Hause Sonnenflieger willkommen, sondern erkläre Euch auch vor diesen Zeugen zu meinem Erben und Nachfolger in allen Titeln, Rängen, Privilegien und Befugnissen, die mit dem Amt des Krallenfürsten verbunden sind.«
Abendlied riß verwundert die Augen auf. Rivkah lächelte Sternenströmer an, und ihre Augen leuchteten vor Stolz.
Rabenhorst sah immer noch seinen Neffen an und hielt dessen Gesicht weiterhin zwischen den Händen. Wie die anderen im Raum diese Ankündigung aufnahmen, damit konnte er sich jetzt nicht befassen. »Axis, während der letzten sechstausend Jahre hat das Haus Sonnenflieger nicht nur in Person das Amt des Krallenfürsten bekleidet, sondern sich auch als dessen Hüter erwiesen. Wir wußten stets dieses große Privileg zu würdigen und durften uns in all den Jahren des Vertrauens und der Treue unseres Volkes sicher sein.«
Aber wohl nicht ganz so sehr des Vertrauens und der Treue der Achariten, über die ihr ebenfalls einst geherrscht habt, dachte der Krieger bitter.
»Achtet diese lange Tradition von Vertrauen und Treue«, fuhr der Fürst fort und schwieg dann für einen Moment. »Axis, Ihr werdet der siebenundzwanzigste Zaubererfürst sein, der erste Zauberer, der seit anderthalbtausend Jahren diesen Thron besteigt. Ihr werdet über ungeheure Macht verfügen, nicht nur als Krallenfürst, sondern auch in Eurer Eigenschaft als Sternenmann. Wollt Ihr versprechen, Euer Volk zu achten?«
»Immerdar«, schwor der Krieger feierlich. All sein Unmut war jetzt verflogen.
»Versprecht Ihr nun auch vor mir und Eurer Familie feierlich, die ungeheure Macht, die Euch verliehen wird, niemals zu mißbrauchen?«
»Auch dies schwöre ich.«
»Werdet Ihr Euer ikarisches Volk durch die Prophezeiung führen, damit es seine Schwingen in Zukunft wieder in sonnenheller, klarer Luft ausbreiten und nicht in schattenumwogte Turbulenzen geraten kann?«
»Das schwöre ich.«
Nun gab Rabenhorst seinen Nachfolger frei, küßte ihn dann auf beide Handflächen und kreuzte ihm die Hände auf der Brust.
»Dann nehmt meinen Segen und meine besten Wünsche an, Axis Sonnenflieger. Vor dem hier versammelten Hause Sonnenflieger erkläre ich Euch formell zu meinem Erben auf dem Krallenthron, so wie ich Euch später vor dem ikarischen Volk in der Versammlung zu meinem Nachfolger ernennen werde. Tragt Eure Verantwortung wohl, und fliegt mit ihr in eine bessere Zukunft.«
»Ich gelobe, mich nach Kräften zu bemühen, niemals in meinen Pflichten zu wanken, Rabenhorst, und meinem Volk stets mein bestes zu geben. Ich danke Euch für Euer Vertrauen und dafür, an mich zu glauben. Ihr sollt nicht enttäuscht werden.« In Wahrheit wußte Axis natürlich nicht, ob er jemals den ikarischen Thron besteigen würde, aber hier war weder die Zeit noch der Ort, um Rabenhorst auseinanderzusetzen, wie er Tencendor neu aufbauen wollte. Und sollte für ihn das Amt des Krallenfürsten darin nicht vorgesehen sein, so würde er den Thron an einen anderen aus seiner Familie weitergeben. Das Haus Sonnenflieger sollte dieses Amt auch weiterhin besetzen und hüten.
Nun umarmte auch Sternenströmer den offiziellen Thronfolger. »Willkommen im Hause Sonnenflieger, mein Sohn. Willkommen als zukünftiger Herrscher.«
Morgenstern folgte ihm.
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