Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
Spiegeln bedeckt war. Diese waren verzaubert und strahlten sanftes goldenes Licht aus, das den gesamten Saal erhellte.
Noch war die Halle leer und wartete auf das Erscheinen der Ikarier und des Mannes, von dem die Prophezeiung verkündete, daß er sie nach Tencendor zurückführen würde, zurück in ihre sagenhafte Heimat.
In seiner kreisrunden Ankleidekammer betrachtete Rabenhorst zornig den Mann, der von ihm verlangte, zu seinem Erben bestimmt zu werden.
Der ikarische Fürst ging auf und ab und seine violetten Augen funkelten wütend, während seine blaugefleckten Flügel aufgeregt raschelten.
»Mir steht das Recht zu, meinem Nachfolger zu bestimmen, wann ich will!« tobte er.
Axis verstand, warum Rabenhorst sich so sehr zur Wehr setzte. Er hatte den Tod von Freierfall längst nicht verwunden, aber ein Thronerbe mußte bestimmt werden, solange der Fürst noch lebte. Und das versuchte der Krieger ihm gerade klar zu machen. Sie lebten in gefährlichen Zeiten, und wenn ein Erbe wie Freierfall so unerwartet den Tod fand, dann konnte so etwas auch einem Fürsten zustoßen. Nichts wirkte sich auf eine Gesellschaft so verheerend aus wie Unklarheiten über die Thronfolge.
Heute wollte Axis vor den versammelten Ikariern sprechen, und er wollte mit der Autorität eines Thronfolgers vor sie treten. Seine Aufgabe bestand darin, die drei Völker – Achariten, Ikarier und Awaren – zu vereinen, um sie zu einer schlagkräftige Streitmacht zusammenzuschweißen, mit der sich Gorgrael besiegen ließ. Dem Krieger war bewußt, daß sich ihm heute abend die einzige wirkliche Gelegenheit bot, die Vogelmenschen hinter sich zu bringen.
Axis trug das goldene Gewand, das Aschure für ihn angefertigt hatte, und die blutrote Sonne flammte beeindruckend auf seiner Brust, als er nun auf seinen Onkel zuschritt. Ich danke meiner Freundin für dieses Emblem, dachte er, während er den Blick des Fürsten suchte, denn ich werde zu diesem Symbol werden.
Sternenströmer und Morgenstern sahen sich an.
Der Krieger blieb nahe bei seinem Onkel stehen und sah den aufgebrachten Mann in aller Gelassenheit an.
»Euer Sohn ist tot und kehrt nicht mehr zurück. Und andere Kinder habt Ihr nicht, Rabenhorst. Dennoch habt Ihr Pflichten Eurem Volk und Eurer Familie gegenüber zu erfüllen. Damit bleibt Euch keine andere Wahl, als mich zu Eurem Thronerben zu ernennen. Ich fordere dieses Recht von Euch ein. Wenn Ihr es recht bedenkt, habt Ihr auch gar keine andere Wahl.«
Rabenhorst deutete auf seinen Bruder. »Sternenströmer steht in direkter Linie zum Thron. Er müßte von Rechts wegen mir nachfolgen.«
Axis lächelte ihn spöttisch an. »Aber, Onkel, wer würde ihm dann nachfolgen, wenn nicht sein ältester Sohn, also ich?« Er legte eine kurze Pause ein, um seinen Worten mehr Wirkung zu verleihen. »Oder wäre es Euch lieber, Gorgrael würde eines Tages hier am Krallenturm anklopfen und sein Erbe einfordern? Der Zerstörer als neuer Fürst der Ikarier? Entscheidet Euch lieber für mich als das kleinere von zwei Übeln.«
Rabenhorst schwieg, aber in seinem Gesicht arbeitete es.
»Im ganzen Krallenturmberg brodelt es, weil die Nachfolge nicht geregelt ist«, fuhr der Krieger jetzt etwas heftiger fort. »Ernennt mich zu Eurem Erben, oder laßt zu, daß Euer geliebtes Volk sich nach Eurem Ableben in Stücke reißt, weil es sich nicht über die Nachfolge einigen kann. Ihr habt keinen Sohn und auch sonst keinen jungen nahen Verwandten, den Ihr mir vorziehen könntet, deswegen bin ich Eure einzige Wahl. Ihr müßt Euch endlich entscheiden, und zwar jetzt! Warum habt Ihr mir den Befehl über die Luftarmada übertragen, wenn Euch damals nicht schon klar war, daß Ihr mir auch den Thron geben würdet.«
Der Fürst wandte mit einem Ruck den Blick von ihm ab und sah seine Mutter an.
Morgenstern nickte. »Axis hat recht, Rabenhorst. Euch bleibt keine andere Wahl, als ihn zu Eurem Nachfolger zu bestimmen.«
Auch wenn seine Mutter sich dafür aussprach, gefiel ihm die Sache immer noch nicht.
»So etwas ist in unserer langen Geschichte noch nie vorgekommen!« rief Rabenhorst in neu entflammtem Verdruß, und er ging wieder auf und ab. »Die Ikarier hatten immer einen vollblütigen Sonnenflieger auf ihrem Thron sitzen!«
»Die ganze Welt verändert sich, Rabenhorst, und nimmt vor unseren Augen neue Gestalt an. Nichts wird mehr so sein wie früher.« Nicht nur Axis’ Stimme, sondern auch seine gesamte Körperhaltung drückten Macht und Selbstvertrauen
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