Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
auf der anderen Seite nach dessen Aufmerksamkeit sehnte. So fiel es ihm nicht leicht, Ablehnung und Annäherung miteinander in Einklang zu bringen.
Der Krieger verzog den Mund, als er an den morgendlichen Unterricht dachte. Nachdem sie stundenlang im selben Zimmer gesessen hatten, waren sie in einen bitteren und heftigen Streit geraten. Morgenstern, die Mutter Sternenströmers und Axis’ Großmutter, die häufig dem Unterricht beiwohnte, hatte den jungen Mann schließlich hinausgeschickt, um in Ruhe mit ihrem Sohn zu reden. Dabei wäre Axis doch viel lieber in dem Raum geblieben und hätte seinen Vater weitere Fragen über seine Herkunft und seine zauberischen Fähigkeiten gestellt.
»Ihr habt Euch wieder gestritten?«
So unerwartet aus seinen Gedanken gerissen, fuhr der Krieger herum. Aschure, die eine hellgraue Wolltunika und eine Hose dazu trug, trat ohne Furcht über den schmalen Felsvorsprung auf ihn zu. Ein paar Schritte vor ihm blieb sie stehen. »Darf ich mich zu Euch setzen? Oder störe ich?«
Axis lächelte. »Nein, nein, Ihr stört überhaupt nicht. Bitte, tretet doch näher.«
Sie ließ sich neben ihm nieder und zog die Beine an. »Eine wunderbare Aussicht.«
»Könnt Ihr den Eisbären dort hinten erkennen?« Er zeigte auf den Eisberg.
Aschure lachte. »Ich besitze leider nicht Eure Zaubersicht, Axis Sonnenflieger.«
Der Krieger spürte, wie er ruhiger wurde. Seit sie in den Krallenturm gekommen waren, hatte sich Aschure zu einer guten Freundin entwickelt. Sie war die einzige, der er sich anvertrauen konnte, da sie die Probleme um seine Herkunft zu verstehen schien.
»Ihr besitzt ein erstaunliches Geschick dafür, Euch in diesen Höhen zu bewegen, Aschure. Nur wenige Ebenenbewohner würden sich hier hinauswagen. Ganz zu schweigen davon, hier auch noch herumzulaufen, als handele es sich um die Ebenen von Skarabost.«
»Was habe ich denn hier schon zu befürchten, wenn doch ein Zauberer anwesend ist, um mich im Notfall zu retten?«
Axis lächelte und wechselte dann das Thema: »Woher wußtet Ihr, daß mein Vater und ich wieder Streit hatten?«
»Als er in die Wohnräume zurückkehrte, hat er Rivkah barsch angefahren. Sie gab ebenso barsch zurück, und da bin ich lieber geflohen. Sie zankten sich noch, als ich ging. Ich dachte mir, ich wende mich am besten an die Ursache für den Streit selbst und bitte um eine Erklärung.«
»Glaubt Ihr, ich wäre besser nicht wieder in ihr Leben getreten?« fragte der Krieger.
»Wenn die beiden sich nicht einig sind, seid Ihr bestimmt nicht die Ursache dafür, Axis«, entgegnete die junge Frau. »Tut mir leid, wenn Ihr das so aufgefaßt haben solltet. Es war von mir nur im Scherz gemeint.«
Der Krieger setzte sich neben sie, zog die Knie an, stützte die Ellenbogen darauf und dachte an seine Eltern. Während zwischen ihm und Sternenströmer Spannungen vorherrschten, war das Verhältnis zu seiner Mutter allein von Wärme bestimmt. Als die fünf Ikarier, die ihn vor den Alpen in Empfang genommen hatten, ihn in den Krallenturm führten, war Rivkah ihm als erste entgegengetreten. Ohne ein Wort zu sagen, hatte sie ihn gleich in die Arme geschlossen. Minutenlang standen die beiden so da, weinten leise und hielten sich so fest, wie sie nur konnten. Axis erinnerte sich an die Vision, wie seine Mutter darum gerungen hatte, ihn auf die Welt zu bringen, und dabei fast selbst zugrundegegangen wäre. So viele Jahre hatte der Krieger geglaubt, Rivkah hätte ihn sterbend verflucht. In der Zeit, in denen sie sich jetzt umarmten, heilten bei beiden viele Wunden.
Aber mit der Ehe zwischen seinen Eltern stand es nicht unbedingt zum besten. Daß die beiden sich sehr geliebt hatten, daran bestand für den Sohn kein Zweifel. Aber die Leidenschaft, die sie damals auf Sigholt füreinander verspürt hatten, hatte sich nicht so einfach auf den Krallenturm übertragen lassen. Vielleicht war Axis gerade rechtzeitig in ihr Leben getreten, um den traurigen Auflösungsprozeß ihrer Beziehung mitzuerleben.
»Es ist sicher nicht leicht, dem eigenen Mann ins Gesicht zu sehen und dabei festzustellen, daß er genauso jung aussieht wie der Sohn.«
Axis’ Züge verdunkelten sich wieder. Das ikarische Blut erwies sich als viel stärker, und genau wie seine Schwester würde er so alt werden wie ein Vogelmensch. Gut fünfhundert Jahre, wenn seine Feinde ihn so lange am Leben ließen. Wie würde es sein, seinen Freunden dabei zuzusehen, wie sie alterten und schließlich starben, wenn er nach
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