Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
anschloß, würde der Krieger von seinen eisigen Bergen herabsteigen und zu ihr zurückkehren.
O Mutter, bitte schenke Priam den Mut, die Wahrheit zu erkennen und anzunehmen. Bitte bring Axis heim zu mir!
Eine Bewegung oben auf der Empore fiel ihr ins Auge. Gilbert redete hinter vorgehaltener Hand erregt auf den Bruderführer ein. Mögt Ihr zwei nur tuscheln, dachte Faraday verächtlich. Vor tausend Jahren hat Euer geliebter Seneschall die Axtkriege geführt, um die Vogelmenschen und die Waldläufer aus ihrer angestammten Heimat zu vertreiben. Seit dieser Zeit lehrt uns Eure Bruderschaft, daß nur Schlechtes, Teuflisches von diesen sogenannten Unaussprechlichen komme. Aber nun plant ein König von Achar, sich mit diesen Wesen zusammenzutun!
Faraday konnte ein leises Lächeln nicht verbergen. Fürchtet Ihr, Jayme, daß in dem Moment, in dem die Unaussprechlichen ihren Fuß wieder auf auf den Boden von Achar setzen, all Eure Lügengebäude aus den vergangenen tausend Jahren in sich zusammenstürzen? Seht Ihr schon, wie Euer geliebter Seneschall seinen tückischen Einfluß auf die Achariten wieder an die Mutter und die Sternengötter verliert? Wie wieder Freude und Lachen über dieses wunderbare Land kommen?
Priam nahm in aller Ruhe einen Schluck Wasser aus seinem edelsteinbesetzten Kelch. »Da frage ich mich doch«, meinte er danach wie beiläufig, aber mit schneidender Stimme, »ob ich nicht den Falschen mit dem Amt des Obersten Heerführers betraut habe.«
Den Anwesenden verschlug es den Atem. Die Schreiber schrieben sich die Finger wund, und Faraday schloß wieder die Augen. Ja, es war vollbracht, Priam würde sich auf die Seite Axis’ stellen. Damit wäre die Gefahr eines Bürgerkrieges gebannt, Gorgrael schon so gut wie besiegt und ihre Liebe gerettet. Ihre Vision hatte sich als Trugschluß erwiesen.
Man sah Jayme seinen Zorn deutlich an, aber er hielt sich zurück, denn Moryson zog ihn beschwichtigend am Ärmel.
Doch nun konnte Bornheld nicht mehr an sich halten.
»Bei Artor!« schrie er und trat einen Schritt auf den Thron zu. »Seid Ihr denn vollkommen von Sinnen?«
Er kam nicht weiter, denn Priam sprang mindestens ebenso wütend auf und fuhr ihn an: »Ihr dürft Euch zurückziehen, Ihr Herzog ohne Land! Ich wünsche nicht mehr, mit Euch zu reden. In dieser Angelegenheit habe ich zu einem Entschluß gefunden, und der ist unumstößlich. Wenn Ihr Euch in Eurer Verbohrtheit weiterhin weigert, die Wahrheit zu erkennen, werde ich meine Entscheidung, Euch zum Obersten Heerführer und Thronerben bestimmt zu haben, noch einmal gründlich überdenken müssen!«
Alle im Saal standen wie erstarrt da, und die Schreiber konnten nicht glauben, was ihre Federn da zu Pergament brachten.
Bornheld taumelte. »Ich …«
»Ihr habt Euch hinreichend als nutzlos für mich erwiesen«, fuhr der König jetzt deutlich ruhiger, aber immer noch unversöhnlich fort und setzte sich wieder hin. »Geht mir aus den Augen, Bornheld.«
Der Herzog war bleich wie ein Gespenst. Nur seine grauen Augen brannten wie Feuer. Er bewegte sich nicht vom Fleck.
»Hinaus mit Euch!« forderte Priam ihn noch einmal auf und drehte sich dann zu seiner Gemahlin Judith um, die würdevoll an seiner Seite saß, um mit ihr zu plaudern.
Bornheld wurde zwar vom König mit Mißachtung gestraft, aber er war sich dennoch dessen bewußt, daß jeder im Mondsaal ihn beobachtete. So vergaß er trotz seiner Wut nicht, Faraday seinen Arm zu reichen, als er mit ihr aus der Halle schritt. Als die beiden die Tür erreichten, rief Priam ihnen zu:
»Herzogin, die Königin fand freundliche Worte für Euch. Möchtet Ihr Ihrer Majestät morgen beim Mittagsmahl Gesellschaft leisten?«
Faraday dankte mit einem Neigen ihres Kopfes und fühlte sich so wohl wie schon lange nicht mehr. Kaum hatten sich die Türen ihres Gemachs hinter ihnen geschlossen, da explodierte Bornheld auch schon. »Er ist völlig wahnsinnig! Vorzeitig vergreist!« schrie der Herzog und bebte vor Zorn.
»Ach, mein Gemahl, er hat doch nur das Wohl seines Volkes im Sinn«, entgegnete Faraday und setzte sich an den Tisch am Fenster.
»Haltet Euer verwünschtes Mundwerk!« grollte der Herzog und machte einen bedrohlichen Schritt auf sie zu. »Ohne Zweifel hat Euch meine öffentliche Demütigung zutiefst befriedigt!«
Sie sah ihn empört an. Einen solchen Vorwurf hatte sie nicht verdient. »Wie Seine Majestät sorge ich mich nur um das Wohl Achars, Bornheld. Nicht aber um die Titel, die Reichtümer
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