Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz im Mondlicht

Tanz im Mondlicht

Titel: Tanz im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
Vom Netzwerk:
auf dem Fußboden neben dem Bett. Jane legte schützend eine Hand über sein Gesicht, damit ihn die untergehende Sonne nicht blendete, die ins Zimmer fiel. Es war Oktober. Die Beule an seiner Stirn war längst verheilt. Doch seine Augen wirkten noch genauso besorgt wie an dem Tag ihrer ersten Begegnung. Sie hätte gerne gewusst, was ihn quälte. Sie öffnete den Mund, um ihn zu fragen.
    Seine Lippen waren zusammengepresst und angespannt. Sie sah sie an. Seine Finger berührten ihre Wange; sie fühlten sich glatt an. Sie erinnerte sich an den Zusammenstoß und wie sanft er sie gestreichelt hatte. Bei der Erinnerung zitterte sie unwillkürlich – ein epileptischer Anfall im Miniaturformat. Dann küsste er sie.
    In ihrem Traum war der Kuss genauso real wie damals. Jeffrey beugte sich zu ihr hinab und küsste sie zärtlich, wieder und wieder. Seine Lippen streiften ihre mit unvorstellbarer Sanftheit, dann nochmals, und abermals, ohne sie zu umarmen. Sein Mund war warm. Jane sehnte sich nach ihm, sehnte sich nach mehr.
    Ihre Hand strich über seinen Arm. Seinen Oberarm, seine Muskeln. Ihre Finger glitten den Ärmel seines blauen, kurzärmeligen Hemdes hinauf. Im Dämmerlicht sah er aus, als sei er von der Sonne gebräunt, obwohl seine Haut die Blässe eines Menschen hatte, der sich häufiger in der Bibliothek als im Freien aufhielt, genau wie Jane. Ihre Augen öffneten und schlossen sich wieder. Sie brannte vor Verlangen, wollte sich vergewissern, dass sie noch lebendig war. Seine Zunge berührte ihre. Überall.
    Sie verliebten sich ineinander.
    Er stammte aus Oceanside, Long Island, sie aus Twin Rivers, Rhode Island. Die Schule war ihr Ein und Alles. Sie liebten die Brown University und einander. Gemeinsam sahen sie sich Footballspiele an, in die Jacke des anderen gekuschelt, während die Bruins den Sieg ein ums andere Mal verspielten. Sie freuten sich über die Anfeuerungsrufe ihrer Klassenkameraden, die »Los, Bruno … los, Bruno!« schrien, waren aber beide zu schüchtern, um in den Chor einzustimmen.
    Sie hatte nur ihre Mutter und eine Schwester, war ohne Vater aufgewachsen. Er hatte einen Bruder und zwei Schwestern, sein Vater war Arzt, und seine Eltern hatten gerade ihre Silberhochzeit gefeiert. Als Thanksgiving kam, weinte sie, weil sie vier Tage voneinander getrennt sein würden.
    Die Trennung während der Weihnachtsfeiertage fiel beiden noch schwerer. Sie blieben so kurz wie möglich zu Hause bei ihren Familien, die sie von Herzen liebten, und kehrten nach Providence zurück, sobald die Studentenheime ihre Pforten wieder öffneten.
    Sie hatten Sex. Wunderbaren Sex. Da Jane Katholikin war, musste sie den Gedanken an Schuld und Sünde überwinden. Ihre Mutter hatte ihr die Vorstellung eingebleut, dass sich anständige Mädchen für die Ehe aufsparten, und tief in ihrem Inneren hatte Jane sich dieses Credo zu eigen gemacht. Doch sie liebte Jeffrey über alle Maßen, und er liebte sie. Es war für beide undenkbar, dass sie jemals mit einem anderen Menschen zusammen sein könnten, dass sie
nicht heiraten würden
.
    Das schien völlig ausgeschlossen, ein Ding der Unmöglichkeit.
    Sie belegte einen Einführungskurs in Philosophie, lernte, offen für alles Neue zu sein, auf eine Weise, die sie früher für abwegig gehalten hatte – in Anbetracht dessen, dass ihr Horizont durch ihre Jugend, aber auch durch ihre kulturelle, religiöse und familiäre Prägung eingeengt war. Und so eignete sie sich auch über Liebe, Sex und den richtigen Zeitpunkt eine philosophische Denkweise an und gelangte zu der Schlussfolgerung, dass die Reihenfolge das Problem war: Was für eine Rolle spielte es, wo Jeffrey und sie sich doch liebten und sich immer lieben würden? Sex vor oder nach der offiziellen Trauung? Wichtig war allein das Gefühl der Verbundenheit, das zwischen ihnen bestand. Verbundenheit und Liebe.
    Sex war die Brücke zwischen Körper und Geist. Wenn Jeffrey sie in den Armen hielt, ihre schmalen Körper eng aneinandergepresst, bedurfte es keiner Worte. Ihre Haut sprach für sich, eine klare und deutliche Sprache. Jane spürte seine Liebe in seinem Mund, seinen Armen, seinem Penis. Sie spürte sie in ihren eigenen Zehen, ihren Fingern, ihren Brüsten.
    Lebendig zu sein erhielt eine neue Bedeutung. Das Leben explodierte. Die Musik erhielt eine neue Bedeutung und emotionale Tiefe, Geschichten wurden mit ihrem eigenen Leben, mit dem anderen in Verbindung gebracht. Sex war der Schlüssel für alles. Janes Mutter misstraute

Weitere Kostenlose Bücher